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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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schon in zu viele Hundehaufen getreten, als
dass ich einem solchen Haustier – Haustier? In diesem Fall wohl ganz klar
Raubtier! – auch nur einen wohlwollenden Gedanken schenken kann. Hunde sind
fast so unerträglich wie Kinder.
    »Linus gehört zur Erbmasse«, fährt Langer fort.
    »Ein verträumtes Kind mit Schmusedecke?«, frage ich. Das Raubtier
beginnt zu hecheln.
    »Guter Hund«, sagt Langer zu ihm, und zu mir: »Wir sprechen hier
nicht von Peanuts.«
    Ich seufze. Bescheuerter Versuch, einen belgischen Polizisten mit
einem Comic irritieren zu wollen.
    »Halten Sie mir diesen Struppi vom Leib!«
    »Das Original heißt Tintin«, verbessert mich Langer mit einer Würde,
die zwar vorzüglich zu seinem jetzt frisch gebügelten Hemd passt, aber weniger
zu dem roten Streifen am Hals. Zu viel Stärke kann schwächen. »Und der hier
heißt eben Linus. Wenn Sie den Hund Ihres Bruders nicht übernehmen wollen, wird
er eingeschläfert.«
    »Was?«, rufe ich entsetzt. »Gibt es hier kein Tierheim?«
    »Das ist überlastet.«
    »Und Nachbarn?« Ich deute auf den Hof gegenüber, wo sich eine
Gardine bewegt.
    »Die haben selbst Hunde. Und außerdem ist das Deutschland.«
    »Wie soll ich mich um einen Hund kümmern, wenn Sie mich einbuchten
wollen?«
    Linus knurrt.
    »Davon ist überhaupt noch nicht die Rede.«
    Noch nicht. Diesmal hat er es wirklich gesagt.
    »Haben Sie Material gefunden, das mich entlastet?«, frage ich.
    »Noch nicht«, wiederholt Langer. »Wir haben seit gestern früh das
Haus durchsucht und alles mitgenommen, was uns Hinweise geben könnte,
Festplatte, Aktenordner, den gesamten Schreibtischinhalt und so weiter. War ein
interessanter Mann, Ihr Herr Bruder, hat sich eine Menge Feinde gemacht.«
    Das klingt sehr beruhigend.
    Mit einer sparsamen Handbewegung lädt mich Langer ein, ihm ins Haus
zu folgen. Linus trottet hinterher. Er scheint offensichtlich nichts dagegen zu
haben, dass sich Fremde seines Territoriums bemächtigen.
    Durch einen sehr dunklen Flur betreten wir ein geräumiges
Wohnzimmer, dessen Fenster sich zu Deutschland hin öffnen.
    Langer lässt sich auf einen ungeheuer voluminösen Polstersessel
fallen und deutet auf einen dazu passenden Schwellkörper in Sofaform. Hierauf
hätten vier Frauen meiner Statur Platz nehmen können. Ich komme mir fast
zierlich vor, als ich mich in dieser Landschaft niederlasse und dabei ziemlich
viel Staub aufwirbele. Auf dem niedrigen breiten Eichentisch liegt vor einem
mit Zigaretten- und Zigarillokippen überquellenden Aschenbecher ein Blatt
Papier, eng in jener Handschrift beschrieben, die mir in den vergangenen Tagen
so vertraut geworden ist.
    »Lesen Sie!«
    Das tue ich.
    Schon im ersten Satz bestimmt Karl Christensen, dass sein gesamtes
Hab und Gut zwischen seinen beiden Kindern Gerd Christensen und Katharina Klein – mit korrekter Berliner Anschrift meiner Mutter – aufgeteilt werden soll.
    »Ich habe diesem Gerd meinen Namen genannt, als ich anrief«, sage
ich. »Also wusste er genau, wer ich war!«
    »Und hat Ihnen eine Abfuhr erteilt.«
    »Und dann bin ich hergekommen und habe ihn deswegen mit einem
Bergkristall erschlagen?«
    »Wäre eine Möglichkeit. Warum haben Sie ihm denn nicht gesagt, dass
Sie seine Schwester sind?«
    »Warum hat er selbst nicht nachgefragt?«
    »Das liegt wohl auf der Hand«, erwidert Langer, »er wollte nicht
teilen. Das hat er Ihnen sicher auch gesagt, als Sie ihn so plötzlich
heimgesucht haben und es zu einem Handgemenge gekommen ist.«
    Ich deute auf die pudrige Substanz, mit der die Holzlehne des Sofas
eingestäubt ist.
    »Meine Fingerabdrücke haben Sie im Haus aber nicht gefunden.« Die
hatten mir die Spurensucher gestern noch vor Ort abgenommen.
    »Wahrscheinlich hat Sie Ihr Bruder gar nicht reingelassen«,
entgegnet er. »Sondern sich mit Ihnen in der Krippana verabredet. Warum haben
Sie sonst im Hotel daneben eingecheckt? Sie hätten ja auch nach rechts Richtung
Prüm fahren und im Mooshaus übernachten können.«
    »Reiner Zufall«, rücke ich die Wahrheit ein wenig zurecht. Ich stehe
auf, öffne die Tür eines riesigen Eichenbuffets und nehme eine Tasse mit
Streublümchenmuster heraus. Meißener Porzellan. Hätte ich nie in einem Eifeler
Bauernhaus erwartet.
    »Was hat mein Bruder eigentlich beruflich gemacht?«
    »Geschrieben.«
    »Ach!«
    »Nicht so wie Sie für Zeitungen. Er hat offiziell Firmenchroniken
geschrieben und unter der Hand Promotionsschriften für andere verfasst.«
    Alle Achtung, denke ich, sage

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