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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Katja Klein, dat Anna Klein und dem Christensen Karl
sein Mädchen«, stellt mich Fine vor. Dankbar, dass wenigstens er keinen
Kommentar zu meinem Elternpaar abgibt, reiche ich ihm die Hand, die er
geistesabwesend drückt.
    »Alf«, schiebt Fine eilig hinterher, »mein Mann.«
    »Die kann mich doch mit all die neuen Kühe nicht sitzen lassen! Der
Werner taucht schon wieder auf!«
    »Werner?«, werfe ich ein.
    »Derselbe«, versetzt Fine verächtlich. »Der Arndt Werner, der Vater
von dat Gudrun. Der alte Bock. Wenn er niemand zum Karten findet, wandert er so
manchmal in der Gegend rum und verläuft sich. Im letzten Winter ist er beinah
dran erfroren. Aber dann hat ihn die Feuerwehr von Hallschlag noch rechtzeitig
im Straßengraben jefunden.« Es klingt fast bedauernd.
    »Jetzt ist Sommer, da kann er nicht erfrieren. Hätte doch damals dat
Gudrun unsern Hein geheiratet, auch wenn sie älter ist«, schimpft Alf Mertes
weiter. Er beugt sich zu Linus runter und versetzt ihm einen freundschaftlichen
Klaps. »Dann wäre das jetzt auch ihr Hof, wir müssten ihr nichts zahlen, sie
wäre pünktlich zum Melken da, und wenn nicht, könnte ich ihr Bescheid sagen und
sie dürfte mir keine Frechheiten machen.«
    »Nee, Alf, dat siehste völlig falsch«, meint Fine. »Dann würde sie
nämlich heute mit dem Hein – unser Jung«, wendet sie sich erklärend an mich,
»in Köln wohnen, und wir müssten jemand Fremdes einstellen, für zu melken. So
was kostet.«
    »Kannst du melken?«, nimmt mich Mertes plötzlich zur Kenntnis.
    »Woher denn?«, tönt Fine. »Ihre Mutter konnte das doch auch schon
nicht. Meine beste Freundin, dat Anna Klein«, setzt sie eindringlich hinzu und
sieht ihren Mann erwartungsvoll an. Der trinkt im Stehen seine Tasse Kaffee aus
und wendet sich wieder zum Gehen.
    »Wenn dat Gudrun kommt, schick sie sofort in den Stall«, sagt er und
verschwindet.
    »Haste was gemerkt?«, fragt Fine neugierig, nachdem sich die Tür
hinter ihrem Mann geschlossen hat. Ich nicke.
    »Na so was, da hast du aber einen guten Blick. Mit der neuen
Prothese merkt sonst niemand mehr, dat er nur ein Bein hat. Er kann jetzt janz
normal damit laufen. Mit den alten Ding konnte er sich kaum auf den Beinen
halten. Wir machen jetzt sogar richtige Spaziergänge. Obwohl sich die Nachbarn
drüber aufregen, dat wir wohl nichts Besseres zu tun haben. Ich sage dann
immer, auch ein Plastikbein braucht gleichmäßige Bewegung, für nicht zu rosten.
Na so was, dass du dat gleich gemerkt hast!«
    Prothese? Ich habe nur gemerkt, dass der Mann keine Manieren hat.
Aber als Journalistin bin ich durchaus mit der Individualität von Wahrnehmung
vertraut.
    »Was ist mit seinem Bein passiert?«
    »Ist nach dem Krieg auf eine Mine jetreten. Wie so viele hier. Hat
er aber noch Glück jehabt. Seinen kleinen Bruder hat’s janz zerfetzt. Mausetot.
Da ist auch der Arndt Werner dran schuld.«
    »Wieso denn das?«
    »Lange Geschichte«, sagt sie abwehrend, »das waren schlimme Zeiten,
mag ich jar nicht drüber reden. Ojottojottojott.« Sie legt mir noch ein Stück
Donauwelle auf den Teller, seufzt tief und bemerkt dann versöhnlich: »Ich
glaube übrigens nicht, dat du deinen Bruder totjeschlagen hast.«
    »Nein, das war bestimmt der Werner«, sage ich trocken und voller
Mitleid für einen alten schusseligen Mann, dem offenbar alles Übel auf der Kehr
in die Schuhe geschoben wird.
    Fines Augen funkeln. »Könnte schon sein.«
    »So alt und rammdösig, wie der ist?«
    »Ist er ja nicht immer. Beim Karten ist er meist hellwach. Nimmt
meinem Alf heute noch manchen Euro ab, der Sausack. Und seine Tochter Gudrun
hatte was mit dem Gerd. Hat sich an den unjepflegten langen Haaren und dem Bart
nicht gestört, aber na ja, ist ja auch schon eine alte Jungfer. Über vierzig!
Da nimmt man eben, was man noch kriegt. Bis er sie dann abserviert hat. Bist du eigentlich verheiratet?«
    Ich schüttele den Kopf. Sie sieht mich mit unerträglichem Bedauern
an.
    »Na ja, da ist der Richtige eben noch nicht jekommen. Vielleicht
findest du ihn ja hier. Unser Hein ist noch zu haben. Auch wenn er ein ganzes
Stück jünger ist als du. Aber dat ist heute ja nicht mehr schlimm. Nur dass
dann keine Enkel mehr kommen können, dat ist wirklich schlimm. Aber die hat der
Werner ja auch nicht. Wenn dat Gudrun den Gerd geheiratet hätte, wäre der alte
Bock ins Altenheim gekommen. Ha, der ehemalige Großgrundbesitzer von der Kehr!
Der jetzt nichts mehr hat, gar nichts … Richtig verarmt ist der; der Hof

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