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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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entgeistert an, öffnet
dann einen Küchenschrank und zieht einen dicken Aktenordner heraus.
    »In welchem Jahr biste jeboren?«, presst sie zwischen
zusammengekniffenen Lippen hervor.
    »1960«, entgegne ich verständnislos und blicke ihr über die
Schulter. Ein Aktenordner voller Todesanzeigen. Sie blättert hastig die ersten
Seiten durch.
    »Na so was!«, ruft sie triumphierend und klopft mit dem Zeigefinger
auf zwei hintereinander abgeheftete schwarz umrandete Seiten. »Dat Maria vom
Karl ist einen Tag nach deinem Großvater gestorben. Dat habe ich janz
verjessen! Na so was!«
    Ich verstehe überhaupt nichts mehr.
    »Dann war Karl doch frei und hätte meine Mutter heiraten können!«
    »Wenn sie mit dem Karl was hatte. Dat kann ich nicht so richtig
glauben, hätte ich doch jewusst. Aber wenn es so war, dann war sie ja
vielleicht an dat Maria ihrem Tod schuld. Vielleicht hat sie sich deshalb
davonjeschlichen und nicht, weil sie mit dir schwanger war. Schwanger ohne Ehe
ist keine Schande. War es hier damals auch nicht mehr wirklich. Gab es viele.
Und jetzt ist auch noch der Sohn umgebracht worden. Der arme Gerd. Wenn ich
bedenke, was ich jesehen und jehört habe …«
    Eindringlich starrt sie mir in die Augen und setzt flüsternd hinzu:
»Na so was!« Ich kann ihre Gedanken lesen: Anna hat Maria auf dem Gewissen. Und
Katja, die Tochter, Marias Sohn Gerd. Die Anlage zum Morden ist also wie so
vieles andere Böse auch erblich.
    Der unausgesprochenen Aufforderung, sie zu fragen, was sie denn
alles gesehen und gehört habe und weshalb sie mich bei der Polizei belastet
hat, komme ich nicht nach. Es wird Zeit, ihr die Gesprächsführung abzunehmen
und sie zum für mich passenden Zeitpunkt mit ihrer Aussage zu konfrontieren.
    »Wie ist Maria denn gestorben?«, frage ich.
    »Beim Pilzesammeln in das große Bunkerloch da drüben jefallen.« Sie
deutet mit der Hand nach rechts. »Jenickbruch, und als man sie am nächsten Tag
fand, hat ihr eine Wildkatze oder ein Dachs schon die halbe Hand abjefressen.
War furchtbar.«
    Unablässig nickend schenkt sie sich ein Glas Wasser ein. Sie spült
zwei Tabletten hinunter.
    »Migräne«, erklärt sie. »Vor allem, wenn ich mich so aufrege. Ich
sage ja nicht, deine Mutter hat dat arme Maria im Wald aufjelauert und in dat
Betonloch jeschubst …«
    »Und was sagen Sie dann?«, setze ich an.
    »Nicht Sie , Katja«, brummt Fine Mertes
vorwurfsvoll und zieht mich auf die Küchenbank zurück. »Wir Nachbarn sagen Du.
Wo du doch jetzt auch noch das Haus jeerbt hast.« Sie nickt nach Belgien
hinüber.
    Erstaunlich, was sie so alles weiß. Wie kann sie denn wissen, dass
ich Annas Tochter bin, wenn sie nicht einmal von deren Schwangerschaft erfahren
hat? Ich frage nach und erfahre, dass Karl Christensen ihr vor Jahren erzählt
hat, er sei Anna Klein auf der Grünen Woche in Berlin zufällig begegnet. Da
habe er auch mich kennengelernt.
    »Das Treffen war wohl kaum zufällig«, sagt sie, mir zuzwinkernd. »Da
ist er wohl seinen finanziellen Verpflichtungen nachjekommen. Damals konnte man
ja noch nicht ins Fernsehen gehen, für einen Gentest zu machen. Na so was. Klug
von deiner Mutter. Der Werner hätte sich vorm Zahlen gedrückt, der Jeizkragen.«
    Schon wieder dieser Werner. Wer ist das, und was soll diese
unmissverständliche Andeutung, dass vielleicht nicht Karl Christensen, sondern
dieser geizige Werner mein Erzeuger sein könnte?
    »Wer ist Werner?«
    »Der Werner ist der Bruder von dat Maria Christensen und der Vater
von dat Gudrun, unsere Melkerin. Einer, der jedem Rock hinterhergejagt ist.
Keine von uns hat er in Ruhe jelassen, der alte Bock. Jetzt ist der Werner alt
und rammdösig und auf die Hilfe seiner Tochter angewiesen. Geschieht ihm nur
recht.«
    »Meine Mutter hat von Karl Christensen keinen Pfennig angenommen«,
entgegne ich würdevoll, froh darüber, wenigstens etwas zur Verteidigung meiner
toten und mir immer unbekannter werdenden Mutter hervorbringen zu können.
    »Na so was. Wovon habt ihr denn dann gelebt?«
    Ich werde der Antwort enthoben. Die Tür fliegt auf, und mit einem
donnernden »Gudrun!« auf den Lippen stürmt ein rotgesichtiger mittelgroßer Mann
in die Küche.
    »Is nicht hier«, sagt Fine, holt eine weitere Tasse aus dem Buffet,
füllt sie mit Kaffee und stellt sie auf den Küchentisch.
    »Soll die doch die Suche nach dem Alten der Feuerwehr oder der
Polizei überlassen! Was denkt die sich eigentlich, Fine? Ich kann doch nicht
allein melken!«
    »Das ist dat

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