Einladung zum Mord - Reunion in Death (Death 14)
Beziehungen zu Frauen. Nach allem, was wir wissen, waren Sie das einzige Kind, das er missbraucht hat. Und wenn er es auf Kinder abgesehen hätte, hätte er sie sich besorgen können, statt sich damit zu belasten, dass er ständig eins durch die Gegend schleppt.«
»Er hat mich immer eingesperrt. So stellt man es doch an, wenn man einen Menschen konditionieren, zu seiner Marionette machen will. Man sperrt ihn ein, damit er völlig abhängig von einem ist, und überzeugt ihn davon, dass er keine Wahl hat, als bei einem zu bleiben, weil alles, was ihm dort draußen widerfahren kann, noch viel schlimmer ist. Man mischt Hunger, Unbequemlichkeit und Angst mit kleinen Belohnungen, bestraft ihn schnell und möglichst hart für die winzigsten Vergehen und gewöhnt ihn an die Aufgabe, für die er vorgesehen ist. Wenn man einen Menschen auf diese Weise an sich bindet, gehört er einem voll und ganz.«
»Sie haben ihm niemals gehört. Trotz allem, was er Ihnen angetan hat, trotz all der Jahre, während derer Sie ihm ausgeliefert waren, ist er nie wirklich an Sie herangekommen.«
»Aber er hat mich auch nie wirklich losgelassen«, antwortete Eve. »Damit muss ich leben. Genau wie Roarke. Ihn hat diese ganze Sache vielleicht sogar noch
stärker aus dem Gleichgewicht gebracht als mich. Wir sind beide okay, aber … verdammt, es macht einen einfach irre.«
»Soll ich vielleicht mal mit ihm sprechen?«
»Ja.« Die Anspannung in ihrem Nacken nahm ein wenig ab. »Ja, das wäre gut.«
Auch wenn es kein Versuch war Zeit zu schinden, indem sie zurück in ihr Büro ging, um Dr. Miras Bemerkungen in Juliannas Akte einzutragen und Kopien aller auf den neusten Stand gebrachten Unterlagen für ihre Leute und für den Commander zu erstellen, gaben ihr diese Betätigungen Zeit, um sich vollends zu beruhigen.
Als sie mit der Arbeit fertig war und das für den Schichtwechsel typische Treiben aus dem Korridor vernahm, zog sie eine letzte Tasse Kaffee aus dem AutoChef, trug sie an ihr Fenster und blickte abermals hinaus.
Der Verkehr nach Hause würde sicher höllisch, dachte sie.
In einem der Gebäude auf der anderen Straßenseite saß Julianna Dunne an einem gebrauchten Schreibtisch aus Metall. Die Tür, an der ein Schild mit dem Aufdruck DAILY ENTERPRISES hing, war sorgfältig verriegelt. Das Büro bestand aus einem winzig kleinen Arbeitszimmer und einem wandschrankgroßen Bad. Sie sah keine Veranlassung, weshalb ihr Alias Justine Daily, unter deren Namen der Mietvertrag geschlossen worden war, Geld oder Energie darauf verwenden sollte, die beiden Räume auch nur ansatzweise behaglich zu gestalten.
Schließlich wäre sie nicht lange hier.
Die Miete war unangemessen hoch, die Toilettenspülung
lief beständig, und der dünne, abgewetzte Teppich verströmte einen muffigen Geruch.
Die Aussicht allerdings war unbezahlbar.
Durch ihr Fernglas hatte sie einen ungehinderten Blick nicht nur in Eves Büro, sondern auf den Lieutenant selbst.
So nüchtern und so ernst. So pflichtbewusst und engagiert. Stets im Dienst von Recht und Ordnung. Was für eine schreckliche Vergeudung, ging es Julianna durch den Kopf.
All diese Intelligenz, all diese Energie, all diese Zielgerichtetheit verschwendete die gute Eve für die Polizei. Und für einen Mann. Sie beide zusammen wären sicherlich ein wunderbares Team. Stattdessen traten sie gegeneinander an, dachte sie mit einem leisen Seufzer.
Acht Jahre und sieben Monate waren Zeit genug gewesen, um ihre damaligen Fehler zu durchdenken und ihr Vorgehen entsprechend zu verändern. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie den blöden Bullen, den männlichen Bullen, nie ins Netz gegangen wäre. Dann hätte sie die letzten acht Jahre und sieben Monate darauf verwenden können, zu tun, was sie am meisten liebte, statt dem wahren Leben aus der Ferne zuzusehen.
Doch sie hatte es mit einer Frau zu tun gehabt. Die damalige Anfängerin Dallas hatte eindeutig mehr Grips besessen als ihre männlichen Kollegen. Und wesentlich mehr Biss.
Nun aber lagen die Dinge anders. Sie selber hatte sich verändert. Sie war körperlich stärker und geistig deutlich klarer. Die Jahre im Gefängnis hatten sie gestählt. Auch Eve hatte die Zeit genutzt und ihre Fähigkeiten weiter ausgebaut, das war ihr durchaus klar. Nur gab
es einen grundlegenden Unterschied zwischen ihnen beiden, der für die Polizistin eindeutig von Nachteil war.
Eve hatte Gefühle. Für die Opfer, die Kollegen, das Gesetz. Und zuallererst für ihren
Weitere Kostenlose Bücher