Einladung zur Hochzeit
dich verliebt hast. Du brauchst eine Frau, die ruhig und beständig ist, eine Frau, die sich mit Haushalt und Kindern zufrieden gibt."
"Willst du damit sagen, dass ich einfältig bin, Josie Belle?"
"Überhaupt nicht, Jerry Bob. Ich sage nur, dass du eine Frau brauchst, die anschmiegsam und anhänglich ist, die du beschützen kannst."
"Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt? Wenn ich deinen Rat brauche, dann sag ich's dir."
"Und noch eins, Jerry Bob. Wenn du eine Frau gefunden hast, die du gern heiraten möchtest, dann verlass deine Mutter und zieh zu ihr. Keine Frau möchte die zweite Geige spielen. Jede Frau möchte das ganze Orchester sein."
Wenn er noch lange unter dem Baum stehen blieb mit weit nach hinten gebeugtem Kopf, um zu ihr hoch zu schauen, dann würde er einen Krampf im Nacken kriegen.
"Ich hab es nicht gewollt, dass es sich so entwickelt", fügte Josie hinzu. "Ich wollte dir nicht wehtun."
Das Schweigen zog sich so lange hin, dass es schon fast peinlich wurde.
"Ich danke dir, Josie Belle." Mit tief in die Taschen gesteckten Händen und eingezogenem Kopf eilte Jerry Bob davon, wohl zu seiner Mama.
Ben nahm seinen Platz unter dem Baum ein. Aber statt sich halbwegs den Hals zu verrenken, umfasste er Josies hin und her baumelnde Beine und hielt sie still.
"Ich bin jetzt hier, Josie. Alles wird wieder gut."
29
Sie blickte hinauf zum Mond und schloss die Augen ganz fest, damit die Tränen nicht durchkamen. Ben Standing Bear hatte sie niemals angelogen. Er war wirklich hier. Auch wenn ihr schwer ums Herz war und sie sich niedergedrückt fühlte und ihr Stolz ziemlich angeschlagen war, so musste sie daran glauben, was er gesagt hatte. Sie musste sich an diese Hoffnung klammern.
"Danke, Kumpel", sagte sie, und Ben konnte die Tränen aus ihrer Stimme heraushören. Josie fühlte sich bedrückt, was ihn wiederum bedrückte. Es war schon komisch, wie das nach all den Jahren immer noch geschehen konnte. "Ich kann mit deiner Hilfe immer rechnen", setzte sie hinzu, und ihre Stimme klang plötzlich wie die eines kleinen Mädchens.
"Dafür sind Freunde ja da."
Josie hatte sich in der langen Zwischenzeit nicht wirklich verändert, fand Ben.
Sie war innerlich noch immer ein kleines Mädchen geblieben, das sich nach der Aufmerksamkeit eines Vaters sehnte, der ihr niemals seine Liebe gezeigt hatte.
Thomas Jefferson Pickens ... Ben erinnerte sich sehr gut an ihn. Im ersten Semester am College, in dem Jahr, wo sie sich begegnet waren, hatte Josie ihn zum Thanksgivingdinner in ihr Elternhaus in Pontotoc eingeladen. Da sein Bruder mit der Gruppe Blue Angels unterwegs war und seine Eltern seit seinem zweiten Lebensjahr tot waren und er nirgendwohin zu gehen hatte bis auf das Waisenhaus, wo er aufgewachsen war, hatte er die Einladung angenommen.
Er hatte nicht lange gebraucht, um ihre Eltern einzuordnen. Josies Mutter war eine sehr schöne Frau, der wahrscheinlich Zeit ihres Lebens beteuert wurde, dass eine Frau mit ihrem Aussehen den Mond und die Sterne 30
haben könnte, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Und in dieser Rolle gefiel sie sich voll und ganz.
Ihr Mann las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er war vernarrt in sie, das war sonnenklar. Sonnenklar war auch, dass sie ihn abgöttisch liebte. Ihre Liebe wäre wunderbar gewesen, wenn Ben nicht ebenfalls mitbekommen hätte, wie sehr sie aufeinander bezogen waren und wie sehr Josie Belle deshalb aus ihrer Zweisamkeit ausgeschlossen blieb.
Ben begriff plötzlich, warum Josie jeden Anlass dazu nahm, um sich in den Mittelpunkt zu drängeln, ganz gleich ob auf einer Party oder in einer Auseinandersetzung. Dass sie immer guter Laune und fröhlich und temperamentvoll war, half ihr dabei. Dass sie auch verletzlich und sensibel war, verbarg sie so gut wie sie konnte.
Ihre Eltern waren so völlig voneinander in Anspruch genommen, dass sie ihre Tochter kaum wahrgenommen hatten. Josie Belle hatte immer für sich selbst sorgen müssen.
Ihr Vater musste gestorben sein, weil auf der Einladungskarte nur der Name ihrer Mutter gestanden hatte.
Ganz sicher war Betty Anne Pickens auch auf dieser Party. Aber wegen der ganzen Serie von schockierenden Vorfällen hatte sie es wohl vorgezogen, unsichtbar zu bleiben ... was ein bezeichnendes Licht auf sie warf, wie Ben fand. Nicht ein einziges Mal hatte sie sich an der Seite ihrer Tochter gezeigt, um ihr beizustehen.
"Geht es dir gut dort oben? Möchtest du, dass ich mich neben dich auf den Ast setze?"
"Warum tust du
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