Einladung zur Hochzeit
vormachen könnte? Ben Standing Bear war praktisch ein Gedankenleser.
Er verließ das Bett und war kein bisschen befangen, weil er nur Shorts trug.
Warum sollte er auch? Er sah darin ja recht beeindruckend aus.
"Ich werde uns jetzt Frühstück aufs Zimmer bestellen."
Und als er um den Bettpfosten herumging, ließ er die Hand über ihr sexy Nachthemd gleiten. Diese kleine Geste war so sinnlich, dass Josie fast ohnmächtig wurde von einem Überschuss an Hormonen.
Josie stand da und hielt ihre Shorts so fest umgriffen, als ob sie ertrinken würde und die Shorts der einzige Ret82
tungsanker in Sicht wären.
Ben setzte sich auf den Bettrand. "Danach …", sagte er versonnen.
"Danach?" Josie klang atemlos.
"Nach dem Frühstück."
"Oh."
"Auf meinem Spaziergang gestern Abend habe ich Segelboote gesehen, die man mieten kann. Ich dachte mir, dass wir heute vielleicht zu den BarriereInseln hinaussegeln, um sie zu erkunden."
Josie sah sich mit Ben in einem Boot, eine strahlende Sonne über ihnen, die Ben in einen bronzefarbenen göttergleichen Indianerhäuptling verwandelte und sie in eine riesige Sommersprosse.
"Nein, danke vielmals."
"Du segelst nicht gern? Du bist ganz verrückt danach gewesen."
"Die Zeiten sind vorbei." Segeln hatte Spaß gebracht, solange Ben der Captain der Baseballmannschaft gewesen war und sie sich als Johanna von Orleans des zwanzigsten Jahrhunderts nur auf eins konzentriert hatte: für eine gute Sache zu kämpfen.
"Wir können auch etwas anderes tun, wenn du magst.
Wir könnten über die Bay fahren und auf der anderen Seite picknicken."
Josie stellte sich vor, wie sie mit Ben im Wagen eingeschlossen war, er nur eine Armeslänge von ihr entfernt und sie wie gelähmt neben ihm sitzend. Die Hand auszustrecken und ihn zu berühren würde sich geradezu als verhängnisvoll herausstellen.
"Ich habe für heute eine Menge vor. Du weißt schon, was Frauen so gern tun ...
Schaufenstergucken, Einkaufen, all diese Dinge, die 83
Männer zu Tode langweilen."
"Nicht mich."
Was hatte sie von einem Mann erwartet, der perfekt war? Josie suchte krampfhaft nach anderen Entschuldigungen.
"Eigentlich wollte ich mich wieder mit Francine in Verbindung setzen. Sie wohnt hier am Ort. Wir zwei könnten irgendwo Lunch essen und uns über alte Zeiten unterhalten."
"Francine?"
"Du erinnerst dich doch an sie, oder? Bond, blauäugig, Beine etwa zwei Meilen lang. Sie war unter euch Jungs 'ne große Nummer."
"Ich dachte, du mochtest Francine nicht. Stockfisch hast du sie genannt, weil sie so langweilig war."
"Nun ja, die Dinge ändern sich. Man wird älter und reifer. Und auf einmal wird eine frühere Mitschülerin, die man ablehnte, zur ... zur Landsmännin."
"Landsmännin?"
"Nun, nicht genau das. Mehr wie eine Kollegin."
"Ach so."
Wenn Josie es nicht besser wüsste, würde sie meinen, dass Ben sich aufregte.
Nun, geschah ihm recht. Es gefiel ihr überhaupt nicht, hier ständig als Einzige auf die Palme gebracht zu werden.
"Vielleicht ist Frühstück hier im Zimmer kein so guter Gedanke", sagte er.
"Vielleicht nicht."
"Ich dusche mich schnell und verschwinde von hier in weniger als einer Minute. Ich werde bei Hardees frühstücken."
Er steuerte auf das Badezimmer zu, und bei Josie regte 84
sich das Gewissen.
"Ben?" Er drehte sich zu ihr um und sah sie an. Und als sie lächelte, wurde sein Gesichtsausdruck weicher. "Ich möchte wirklich, dass du diesen Urlaub genießt."
"Danke Josie. Dasselbe wünsche ich dir auch."
"Wirst du segeln?"
"Ja."
"Dann viel Spaß."
Als die Badezimmertür sich hinter ihm schloss, ließ Josie sich mit einem Stöhnen in den nächsten Sessel fallen.
Wie würde sie nur den Tag hinter sich bringen? Nicht mit Francine, das stand fest. Francine hatte eine Weile hier in Biloxi gewohnt, so viel stimmte. Mittlerweile war sie aber nach Wisconsin gezogen, wie Josie gehört hatte.
Außerdem mochte Josie sie immer noch nicht.
Josie hörte das Wasser rauschen, und sie malte sich aus, wie es über Bens nackten Körper floss. Sie sprang vom Sessel hoch und zog sich schnell an.
Vielleicht war es mehr als unhöflich, sich ohne zu verabschieden einfach zu verschwinden. Doch es war sicherer. "Ben, ich mach mich auf den Weg", kritzelte Josie auf einen Notizblock. "Hab Spaß. Wir sehen uns heute Abend."
Sie wollte schon "In Liebe" darunter schreiben, dann überlegte sie es sich und schrieb: "Tschüss, Josie." Nett und freundlich, wie es unter Freunden üblich war.
Das sollte
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