Einladung zur Hochzeit
halbes Dutzend Mal gebeten, ihn zu heiraten."
"Ich verstehe nicht. Du hast gesagt, dass du ihn liebst.
Oder hab ich mich verhört?"
"Es ist nur wegen des Babys. Er will das Baby, sehr sogar, aber ich glaube, er ist über dich noch nicht hinweggekommen." Ashley fing an zu weinen, und Josie legte den Arm um ihre Schultern.
"Das ist einfach nicht wahr, Ashley. Ich glaube nicht, dass er mich wirklich geliebt hat. Ich bin nur so anders als seine Mutter. Das hat ihm wohl gefallen."
Ashley richtete sich auf und trocknete sich die Tränen mit dem Saum ihres Sweatshirts. "Zum Glück hab ich Geld genug und brauche nicht zu arbeiten. Ich kann das Baby alleine aufziehen."
"Wünschst du dir das wirklich?" Ashley schüttelte den Kopf. "Das hab ich mir gedacht. Also, was willst du tun?"
Ashley hatte sich noch nie vor einer Herausforderung gedrückt, auch nicht als sie beide noch Kinder waren. Sie stand auf, griff in die Schachtel und fing an, kreuz und quer durch das Zimmer zu wandern und mit dem gebra149
tenen Hühnerschenkel zu gestikulieren.
"Als Erstes marschiere ich in Clytee Crawfords Büro bei den Crawford Traktoren und Sattelschlepper und bringe ihr die gute Nachricht."
"Sie weiß es nicht?"
"Ich habe Jerry Bob gebeten, es ihr nicht zu erzählen."
"Meine Güte, das beweist, dass er dich liebt. Er erzählt seiner Mama alles."
"Nicht bei mir." Ashley blickte entschlossen drein, und Josie applaudierte.
"Also gehe ich zu Clytee und sage ihr, dass, wenn sie ihr Enkelkind sehen will, sie Ben Standing Bear als Bürger des Jahres ausrufen soll."
Josie war hellauf begeistert. Diese Auszeichnung würde Ben Ansehen verschaffen und seine gesellschaftliche Stellung sichern. Und dann würde ihnen nichts mehr im Wege stehen. Absolut nichts - außer der Liebe.
"Wie soll's nun weitergehen mit dir und Jerry Bob?"
"Genauso wie es mit dir und Ben weitergehen wird.
Wir überlassen alles dem launischen Schicksal."
Sie blickten einander an und lachten.
"Wechseln wir das Thema", schlug Josie vor. "Als was gehst du zum Maskenball?"
Ashley leckte das Fett von den Fingern ab. "Ich habe vor, als Elefant aufzutreten. Und du?"
"Bei all diesen heimtückischen Tricks, in die ich verwickelt war, sollte ich wahrscheinlich als Machiavelli gehen."
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18. KAPITEL
Ben hatte vom Baby in der Bibliothek gehört. Er war die Reihe mit den Klassikern durchgegangen und hatte sich gerade für Melvilles Moby Dick entschieden, der ihn durch einen langen Abend bringen sollte, als er zwei Frauen am anderen Ende der Regale tratschen hörte.
"Bist du sicher? Es ist schon eine ganze Weile her, dass sie sich von ihm getrennt hat."
Bob versuchte abzuschalten, wollte sogar irgendeine Melodie pfeifen, als er plötzlich aufmerksam wurde.
"Es stimmt aber. Clytee sagte, dass Josie Babysachen gekauft hat."
Josie - schwanger?
Ben verließ die Bibliothek so hastig, dass er vergaß, das Buch wieder ins Regal zurückzustellen. Der Sicherheitsstreifen auf dem Buchrücken piepte, als er durch die Schwingtüren stürmen wollte, und er fühlte sich wie ein Krimineller.
Er drückte der verdatterten Bibliothekarin stumm das Buch in die Hand und raste aus dem Gebäude, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.
In wenigen Minuten saß Ben im Auto und fuhr schnurstracks zu Josies Apartment.
Josie kam nicht zur Tür, und Ben stand mit weit zurückgelegtem Kopf auf der Straße, um zu sehen, ob Licht an war.
"Josie!" rief er mit gedämpfter Stimme, damit er keine Aufmerksamkeit erregte. Der alte Mr. Lancaster im Apartment 2A steckte den Kopf aus dem Fenster.
"Sie ist nicht hier, Doc!"
Josie und Ben hatten ihn die Hauspolizei genannt und dabei gelacht, weil er über alles, was im Apartmenthaus geschah, informiert war.
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"Wissen Sie, wo sie ist?"
"In der Schule. Sie hat Probe mit den Schülern für ein Spiel."
"Danke, Mr. Lancaster."
"Ist schon gut." Cleveland Lancaster zog wie eine Schildkröte den Kopf zurück, überlegte es sich aber und steckte ihn wieder heraus. "Hey, Doc. Hab gehört, dass Sie Vater werden. Ich gratuliere!"
War Ben der Letzte, der davon erfuhr?
In der Schule marschierte er zur hell erleuchteten Aula und blieb in der Tür wie angenagelt stehen. Josie stand mitten auf der Bühne und gab den Schülern aus ihrer Dramaklasse Anweisungen. Ben hatte sie seit dem Tag, als sie ganz in Rot gekleidet in seiner Praxis aufkreuzte, nicht gesehen. Er hatte sie nicht sehen wollen.
Jetzt war ihm klar, warum. Es war ihm nicht möglich, Josie anzusehen
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