Einmal auf der Welt. Und dann so
können, waren sie doch gewiss nicht in Übung. Die Pflicht bestand jedoch, auch für die Königin von England (die Gegenpäpstin, oder einfach: die Päpstin beziehungsweise Papula, das Päpstlein, »die für uns das Hauptärgernis war«, Franz Sales), die Königin von Holland, sie bestand für die skandinavischen Häuser, auch wenn sie nicht kamen, sie galt auch für den damals noch regierenden Schah von Persien, König Idris von Libyen, für den von Mohammed abstammenden Hassan von Marokko, für den von der Sonne abstammenden Kaiser von Japan und so fort - ob sie dies nun wussten oder nicht. Denn laut Kirchenrecht war die ganze Welt, gerade in den weltlichen Dingen, dem Heiligen Vater unterstellt. Es gab nur Abfall oder Nichtwissen dieser Wahrheiten. Ich staunte, als ich das erste Mal davon hörte. Aber Franz Sales, der diese Wahrheiten zu Ende gedacht hat, wie er immer wieder versicherte, hätte an mir gezweifelt, hätte ich an ihm (und seiner Hierarchie der Wahrheiten) gezweifelt. Also fragte ich nicht mehr im Großen und Ganzen, sondern nur noch in den Details, welcher Art die Verpflichtungen der Welt dem Heiligen Stuhl gegenüber wären, und ließ mir interessante Einzelheiten erklären: Selbst die Größe des Gliedes eines neugeborenen Thronfolgers musste, laut Kirchenrecht, noch nach Rom gemeldet werden. Und der Heilige Stuhl besteht darauf? Fragte ich. »Selbstverständlich!«, ließ mich Franz Sales wissen. All dies gilt bis zum heutigen Tag, ich möchte nicht alles preisgeben ...
Der Unsinn hatte Hand und Fuß. Eines Nachts nahm mich Franz Sales in die Sixtinische Kapelle mit, um mir die Bilder Adams bei Nacht zu zeigen, »es sind ja Nachtbilder«, sagte er,
»Michelangelo hat sie für die Nacht gemalt!« Die Bilder Adams: der Erste war auch gleich der Schönste, ein Wunder, »kein Wunder!« frisch nach der Schöpfung. Ja, die Kapelle sei schöner als die Schöpfung selbst, sagte er, hätte der dumme Michelangelo nicht auch noch die Architektur hineingemalt, die barbarische Renaissance-Architektur. Franz Sales hatte ja überallhin einen Schlüssel. Dass der Heilige Vater durch unsere Taschenlampen möglicherweise aufgeschreckt wurde - er lag doch gleich neben der Kapelle! -, störte Franz Sales nicht, im Gegenteil. Die Kurie drangsalierte bisher jeden Papst, um den Pontifikat zu verkürzen, meist wenig erfolgreich. Es gab ja ein kuriales Sprichwort: Das Ende eines Pontifikates ist so sicher wie das Amen in der Kirche, und doch musste man in Rom auf den sogenannten natürlichen Tod des Stellvertreters in der Regel unverhältnismäßig lange warten.
Franz Sales missfiel die Architektur dieser Kapelle, ganz zu schweigen von den Hosenmalern. Er war gegen die Hosenmaler. Hierin unterschied er sich von der offiziellen Linie.
In der Ewigen Stadt bin ich auch Benvenuto begegnet, dem Sekretär von Franz Sales, den ich für dieses Leben auch aus den Augen verloren haben dürfte.
Franz Sales hatte ihn aus dem Süden zu sich in sein Vorzimmer geholt. Aus ärmlichsten Verhältnissen Pescopaganos, wurde er bald nach dem fünften Lebensjahr der Kirche übergeben. Tatsächlich hatte es Benvenuto geschafft, einen Platz auf der untersten kurialen Ebene zu bekommen, noch bevor sein Arsch nach unten fiel (Redensart aus dem Viehhandel oder chinesisch). An dieser Stelle war Franz Sales auf Benvenuto gestoßen. Obwohl beide etwa einer Generation angehört haben dürften, so hielt man sie doch für ganz verschiedenen Zeiten, ja Welten zugehörig. Franz Sales hatte nicht viel von Benvenuto: Das Einzige, was er von ihm hatte, war, dass er nichts von ihm hatte. Ich wusste es, konnte aber auch nicht helfen. Es wurde ja niemals über diese Dinge gesprochen.
Dennoch half es nichts, dass wir unsere Soutanen bis ganz unten zugeknöpft hatten (wie es ja auch Vorschrift war) und, ohne dies miteinander abzusprechen, mit fettigem Haar und manchmal sogar ungewaschen, mit unserem eigenartigen Körpergeruch an Franz Sales herantraten und ihm irgendeine Dummheit ins Ohr sagten, die mit Liebe nichts zu tun hatte. Es half nichts, auch wenn wir uns in den Andachten immer so setzten, dass wir in unseren weiten Soutanen kein Ärgernis für ihn sein konnten. Wir waren doch eines. Auch wenn man sich kaum denken konnte, auch wenn man sich ausdenken musste, dass da noch etwas war, da, hinter den dreiunddreißig Knöpfen, so sehr waren wir zugeknöpft; und jeder Knopf bedeutete ein Jahr im Leben unseres (damals dreiunddreißigjährigen)
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