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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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nachgezählt wurde, nach der Methode unseres Viehhändlers, die Scheine wanderten sehr geschickt zwischen Zunge, Händen und Tisch hin und her, es muss ein Zaubertrick dabei gewesen sein, so schnell ging alles. Diese Einkaufstaschen! Die Lira war ja auch damals schon ziemlich inflationär, man bekam fast nichts mehr für dieses Geld, für 300 Lire noch nicht mal eine Mark. Ich selbst hatte kein Konto in diesem Institut, dafür war ich noch nicht Bischof oder dergleichen hoch genug, ich kam ja nur zum Geldwechseln, der Papst bot sagenhafte Kurse, die mir ein Schlemmerleben in Rom ermöglichten. Die Unkundigen halten ja den Banco di Santo Spirito für die Vatikanbank. Natürlich stand ich in meinem Talar in der Schlange, ich sah nur Ordenstrachten und Talare, kaum einmal eine Zivilperson. Wenn ein höheres Tier kam, musste der Rest Platz machen: alle Rassen, schwarze, gelbe, weiße, ja rote Priester, denn die Kirche (die einzig wirkliche, die katholische, versteht sich) ist die einzige wirkliche Internationale, sagte auch Franz Sales. Man kam aber nicht recht ins Gespräch, die unscheinbaren Tragtaschen, das Stehen in der Schlange, das anstrengende Entree.
    Hatte ich es einmal geschafft, hier zu stehen, war ich lange im vatikanischen Labyrinth unterwegs gewesen. Es gab die wunderbaren Schneckentreppen für die Pferde, aber keinen Aufzug. Ich hätte mich verirrt, wären die Tragtaschen nicht gewesen, denen ich folgte, die braunen Nonnen. Irgendjemand muss hier doch zu Hause gewesen sein, und sei es auch nur der Heilige Vater, einen oftmals kurzen Pontifikat lang? Wegweiser oder gar Wandbeschriftungen, Deklarationen, wo man sich aufhielt, wovor ich stand, gab es nicht. Das ist der alte Modus, erklärte mir Franz Sales und brachte den Vergleich mit dem scholastischen Zitieren: keine Hinweisschilder, kein Quellenverzeichnis in den Büchern der scholastischen Gelehrten, nur keine Namen! - »Es ist wie bei deinem Heidegger!«, verdeutlichte mir Franz Sales.
    Nur zweimal in der Woche hatte ein exquisiter Kreis Zutritt zum »Institut«. Das »Institut« war noch exquisiter als der »Kreis«, der Zugang zum Vatikan-Supermarkt bekam. Da gab es alles, was mein Herz begehrte, ich weiß noch. Auf dem Weg zum »Institut« stand an jeder Ecke mindestens ein Soldat der Schweizergarde, auf manche Ecken kamen zwei oder mehr, damit man sich in der Tür nicht verirrte. Die Palastwachen, die Säbel, der alte Modus, keine der Türen war wohl abgeschlossen. Ein ausgeklügeltes Passagierscheinwesen beziehungsweise -system: An jeder Tür gab es eine Unterschriftenkontrolle, eine Schriftprobe, ein graphologisches Schnellgutachten, alles von höchster, undurchschaubarer Raffinesse: Das war das Institut für die Religiösen Werke bald nach der Mondlandung, das war meine Kirche, in diesen Gewölben habe ich mich damals beinahe verirrt. Die Garden werden heute durch zeitgemäßere Waffen als den glattpolierten, den glänzenden, den einfachen Säbel geschützt sein, irgendwo werden sie ihre Pistolen haben, das weite Pludergewand Michelangelos bietet Platz für vieles. Möglicherweise habe ich da auch einmal Marcincus gesehen, Gelli von der Loge P2, ohne es zu wissen, und vielleicht auch den einen oder anderen Direktor des Banco Ambrogiano, eines sehr befreundeten Instituts, vielleicht jenen, den man später unter einer der Londoner Brücken fand, erhängt, ein Erhängter, ein Papstfreund, ein Katholik, dessen Namen ich vergessen habe. Franz Sales hat mir das Entree verschafft, zu allem. Was das Institut betrifft, so musste ich nur - einmal in meinem Talar an den Garden der Porta Sant'Anna vorbeigehuscht - eine Nummer sagen und eine Zahl, die mir Franz Sales in seiner schnaufenden Art aufgeschrieben hatte, ich musste sie memorieren, darin war ich als Katholik ja geübt, die Beichte, die auch nicht abgelesen werden durfte, umfasste bis zu hundert einzelne Punkte. Oder mehr? - Über eine Stunde musste ich an diesem grauen Ort warten, einer Büroecke gleich rechts von Sant'Anna, dann wurde - von unsichtbarer Hand - der Passierschein durch eine Luke geschoben, eine kleine Bocca di Verità. Insgesamt musste ich an verschiedenen grauen Ecken gegen zwei Stunden warten, beinahe hätte ich es bei diesem ersten Mal gar nicht geschafft, bis ins Allerheiligste vorzudringen, das ich ein Geschoss unter den päpstlichen Wohnungen lokalisiere. Genau weiß ich ja bis heute nicht, wo ich landete, hier und überhaupt, wo ich damals hinter meinen braunen Nonnen mit den

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