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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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Jute- und Baumwolltaschen stand. Es waren so viele Treppen und Ecken, so viel Hinauf und auch Hinunter, sodass ich beim besten Willen nicht sagen kann, wo ich war, und ich weiß, dass niemand weiß, wo wir uns aufgehalten haben. Es muss aber im Palast des Papstes gewesen sein.
    Doch jenes Dunkel lohnte sich: Kam ich ins Freie, hatte ich Geld bei mir. Kein größeres Geheimnis in der Kirche als dieses, noch ein Geheimnis im Geheimnis, vertraute mir Franz Sales an. In der Geheimnishierarchie der Kirche war das Institut über mancher Wahrheit angesiedelt, stand zweifellos über der Unfehlbarkeit, ich weiß noch, »noch denket das mir wohl«.
    Alles ist nur der Erinnerung zulieb festgehalten.
    Ich kann ja gar nicht recht beschreiben, wie ich da hineinkam, hineinschlitterte. Es war ja ein Labyrinth, manchmal ganz dunkel, dann wieder überhell, eine Lichtflut, manches Mal schien es mir dunkel zu werden, dann wieder heller. Das Ganze hatte System.
    Ich habe es nicht durchschaut, nie durchschaut, wie ich da hineinkam, ich kann meinen Weg nicht rekonstruieren. Das System siegte über mich. Es muss ein Stockwerk unter den päpstlichen Gemächern, von denen ich einige sogar betreten habe (eine Audienz), gewesen sein, gewesen sein, gewesen sein - da konnte man wieder ins Stottern zurückfallen. Weiß nur, dass ich, einmal den Kreuzweg hinter mich gebracht, in einer Schlange stand, die ich im päpstlichen Palastorte, die hier endet, sich irgendwie auflöste, was weiß ich. Vielleicht täusche ich mich auch, es gab ja Unterführungen, Geheimgänge, spanische Wände, Falltüren. Der Vatikan hatte zwar nur ein Staatsgebiet von 0,44 Quadratkilometer, immer von der Oberfläche her gerechnet, aber es ging in die Tiefe!
    Es war eine Art Manhattan nach unten hin.
    Ach, ich habe ja unterschrieben, über all dies zu schweigen. Ich habe ja, gleich nach der Porta Sant'Anna rechter Hand, unterschrieben, dass ich nie hier war.
    Es war ein Teufelskreis, in den ich hineingeraten war, wie die anderen auch. Aber die anderen haben es geschafft, sich darin zu behaupten. Sie konnten alles miteinander zu einem geistlichen Leben runden, mit seiner Geilheit, seinem Hunger, mit seinem Durst, mit Fellini.
    Da blieb ich auf der Strecke. Mit meinem Geld von der Vatikanbank zurück, überfiel mich schon auf dem Nachhauseweg ein »Gewitter der Lust«. Das war kein Gedicht, meine Damen und Herren.
    Was war mit den Frauen?
    Frauen gab es nicht in Rom. Aber gelegentlich fuhr ich (doch) zu den Frauen der Via Appia Antica hinaus, aber nur zum Vorbeifahren, der alten Straße wegen, auf der vor mir die Römer fuhren. In keiner Weise hatte ich bis dahin ein besonderes Verhältnis zu Frauen als solchen (die Begriffsschärfe verdanke ich meinem Unterricht in scholastischer Philosophie) entwickelt; Interrail und Feuerland waren ja nur ein Ausflug, was zählte, war die Hebamme, die nach der Schere rief. Was fuhr ich also zu den Frauen hinaus? Ich wollte einfach sehen, wie sie dasaßen und warteten. Ich wollte nur das Feuer sehen, das sie entzündet hatten und entzündeten. Ich wollte nur sehen, wie sie leuchteten, mehr nicht.
    Von hier zurück in die Stadt Rom (Circus Maximus, nachts). Ich hatte gehört (immer nur: gehört. Das machte nichts, wenn die Sanduhr nicht wäre), dass sich dort einer unserer Kandidaten gegen Lire anbot, damals noch bei einem Kurs von 1:4! - um sich das Geld, das von der Kirche für die höheren Weihen gefordert wurde, zu verdienen. So sehr hing er (wie hieß das Kind nochmal?) an seinem Wahn, Priester zu werden, dass er nichts dabei fand, zwischen den dunklen Büschen ... die mittlerweile verschwunden ... deswegen ... ja ... dass er keinen anderen Ausweg sah, als sich dahinein ... denn er war schön ... Franz Sales konnte mir nur in Andeutungen davon erzählen, in Dreipünktchensätzen. Er stockte ja immer, wenn wir auf dieses Gebiet kamen.
    »Wie ging die Geschichte weiter?«, fragte ich, »hat er es geschafft?«
    »Jaaa!«, stöhnte Franz Sales - »aber jetzt geht er immer noch hin ... Das weiß ich ... von verschiedenen Seiten ...« Was soll ich tun!? Er wurde geweiht, hat das Geld aufbringen können, aber jetzt geht er immer noch hin. Ich fragte, ob das vielleicht mit Sündenmystik zu tun haben könnte. Davon hatte ich im Unterricht gehört, wenn auch nur andeutungsweise. Da legte sich ein Kirchenvater zu einer (namentlich nicht bekannten) Kirchenmutter ins Bett, um die Sünde mit der Sünde zu vertreiben, wie es hieß.
    So wie Lina Boos,

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