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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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kleine Grüß Gott! Mit der Grüß Gott!, die eigentlich für Hafenrundfahrten gedacht war, wurde das abgeschnittene Ostpreußen versorgt. Aber dann wurden die großen Sierra-Schiffe gebaut: Sierra Nevada, Sierra Ventana, Sierra Madre, die allerdings nach dem abermals verlorenen Krieg wieder an England fielen. Meine Freundin Hazel schrieb mir, dass sie immer noch, unter anderem, falschem Namen zwar, fahren.
    An die Überfahrt will ich gleich gar nicht denken.
    Es hieß, dass auch der abgedankte Zogu von Albanien an Bord war. Zu sehen bekam ich ihn nicht. Jeden Tag gab es gedruckte Speisekarten.
    Und Fritz kramte und fand bald eines dieser Relikte zum Andenken an einen längst vergangenen Hunger und Durst. Selbst in der Auswandererklasse gab es diese gedruckten Karten, wenn auch blasser und mit weniger drauf, sagte Fritz. Da stand einfach »Brot mit Butter« an der Stelle, wo bei uns »Mille Foglie« zu lesen war. Aus Platzgründen wurde da abwechselnd geschlafen und gewacht.
    Das Meer war eine Zumutung für mich. Ich war dem Land entkommen, zu aufgewühlt, um einfach auf das Meer hinauszuschauen. Ich flüchtete mich in die Bibliothek. Aber da waren nur Bücher von und über Admiral Tirpitz, vom Ostafrikahelden Lettow-Vorbeck, dem Ozeanflieger Freiherr von Hünefeld, dem U-Boot-Kommandanten Paul König und von Zeppelin, den ich Ihnen nicht erklären muss. Auch eine Bibel. Die einzige Geschichte, die mit Hochseeschifffahrt zu tun hatte, war die mit Jona und dem Fisch. Das war noch einmal gutgegangen. Auch die langweiligsten Abschnitte der Heiligen Schrift waren schon halb totgelesen.
    Da waren Leute unter den Auswanderern, die später wegen der Moskitos aufgaben. Auch Selbstmordversuche aus ähnlichen Gründen.
    Müde? -
    Dann zeigte er mir noch ein Bild der Sierra Ventana. Ein schönes Schiff, zweifellos, aber Rosa war längst ungeduldig und wollte mich wegziehen.
    Dennoch hat Fritz mir noch zum Abschied den Haifisch erklärt, so wie er ihm erklärt worden war; und zwar von einem Geistlichen, der wie er, aber aus anderen Gründen, nach Amerika unterwegs war.
    Eine Art Predigt folgte.
     
    Zweiundzwanzig Tage zog ich auf der Sierra Ventana einen Strich durchs Meer. Unter mir wimmelte es von Haifischen. Sie zogen mit uns und unserem Abfall ein Stück weit in die Neue Welt. Irgendwann drehten sie ab und fanden ein neues Schiff.
    Von der Überfahrt weiß ich nichts mehr. Ich weiß nur noch, dass ich weggefahren bin. Dann kann ich mich an die Haie und an einen Jesuitenpater erinnern. Er hat mir den Haifisch erklärt. Zunächst war ich überrascht, als er mir sagte, dass der Papst der Stellvertreter Gottes auf Erden, im Wasser aber der Hai sein Stellvertreter sei.
    Haben Sie vom Untergang des Circus Hagenbeck gehört?
    Wie sich das Blut mit dem Wasser vermischte, wie alles unterging? Hat einer überlebt, dann kann er erzählen.
    Und der Hai? Der Hai ist zunächst eingesetzt, die Meere zu durchstreifen und mich daran zu erinnern, dass ich ein Landtier bin. Ich bin ein Landtier. Ich gehöre nicht ins Wasser. Ich bin ein Landtier. Das gilt auch für den Stellvertreter Gottes zu Lande, den Heiligen Vater, sagte er. Er fuhr in den Urwald, um eine Missionsstation zu übernehmen. Amazonas. Wissen Sie überhaupt, woher der seinen Namen hat? Da waren die ersten Spanier, die fuhren den Fluss hinauf und hielten die Indianer für Frauen, nur weil sie keine Haare auf der Brust hatten, stellen Sie sich das vor! Aber weil sie so kriegerisch waren wie die Amazonen, hat man sie ... Die meisten sind heute katholisch, aber es sind nicht mehr so viele.
    Im Amazonas gibt es den Hai nicht, dafür den Piranha, einen entsprechenden Süßwasserfisch.
    Nun folgte die Rechtfertigung des Haifischs aus dogmatischer Sicht.
    Zunächst ist er einfach da! Sie können staunen! Ist es nicht wunderbar, was es alles gibt! Bald fallen Ihnen aber die langen, spitzen, in Bändern angeordneten Zähne, die ständig nachwachsenden Zahnreihen auf, und vielleicht wird Ihnen sogar ein Arm oder der Kopf abgebissen. Was sagen Sie dann? - Falsch gefragt! Dummkopf, der Ihnen noch nicht weggebissen ist! Sie müssen viel ursprünglicher fragen: Warum und wozu habe ich einen Kopf?
    Genau. Denn ich soll nicht nur dumm staunen, nicht bei den Zähnen stecken bleiben, sondern hinter den Sinn, auch hinter diese Haifischzähne kommen. Weiterkommen. Dahinterkommen. Und ich gebe Ihnen, junger Freund, das erste Stichwort: Schöpfungsordnung, natürliche Theologie.
    Das sind zwei

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