Einmal durch die Hölle und zurück
manchmal damit rumgepaddelt, und der konnte Boote genausowenig ausstehen wie ich.«
»Warum?«, frage ich. Ich denke immer noch an das Schweinefleisch.
»Das Übliche. Vietnam.«
»Er war auch da?«
Reggie wirkt überrascht. »Ja. Er war mein CPO .«
»Der mit dem LSD ?«
»Ja. Er hat mir unzählige Male den Arsch gerettet.« Reggie deutet auf seine zernarbte Gesichtshälfte. »Auch bei dieser Sache.«
Reggies Geschichte bekommt allmählich etwas Klaustrophobisches, Paranoides. Oder
ich
leide an Verfolgungswahn. »Was ist da passiert?«
»Irgendwann kamen wir alle auf leichte Patrouillenboote«, sagt er. »Eines Nachts waren Chris – ich meine natürlich Chris senior – und ich in einem davon unterwegs, und wir hatten die Fahrtlichter an, damit man uns nicht unter Beschuss nimmt, aber eine F 4 -Phantom hat uns trotzdem in Fetzen geschossen, weil der Pilot uns für einen Hubschrauber der Nordvietnamesen hielt. Ich kriegte Benzin ab und fing an zu brennen und alles – ich
wollte
nicht mal am Leben bleiben. Chris schwamm mit mir ans Ufer.«
»Scheiße.«
»Ja. Das Beschissenste ist, dass die Nordvietnamesen gar keine Hubschrauber benutzten.«
»Waren Del und Miguel auch beim Militär?«, frage ich, als er verstummt.
»Del war zwar in Vietnam, kam aber nie aus seiner Artilleriebasis raus. Musste höchstens ein-, zweimal ein warmes Bier trinken. Und Miguel steht bloß auf Waffen.«
»Glauben die beiden, dass es im White Lake ein Ungeheuer gibt?«
»Tja, Sie haben sie doch kennengelernt.«
»Stimmt …«
Mit tränendem Auge zeigt Reggie sein boshaftes und zugleich bescheuertes Lächeln. »Diese Jungs glauben einfach alles.«
17 CFS Lodge, Ford Lake, Minnesota
Immer noch Samstag, 15 . September
Um sechs Uhr früh sitze ich im Hinterzimmer der Empfangshütte am Schreibtisch und rufe Dr. Walter McQuillen an, in der Hoffnung, dass ich ihn beeindrucken kann und er noch so müde ist, dass er meine Fragen beantwortet.
»Praxis Dr. McQuillen.«
»Dr. McQuillen, hier spricht …«
Um diese Uhrzeit einen anderen Arzt anzurufen, ist ausgesprochen seltsam. Fast hätte ich gesagt: »Hier spricht Peter Brown.«
»Hier ist Lionel Azimuth. Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen.«
»Nicht jetzt. Ich will gerade los.«
»Es ist doch erst sechs.«
»Dann bin ich spät dran. Um sechs Uhr zweiundfünfzig geht die Sonne auf, und da muss ich schon auf der Hoist Bay sein. Ich würde Sie ja einladen mitzukommen, aber Fische riechen Pferdescheiße schon aus zwei Kilometer Entfernung.«
»Der war gut. Wie geht’s Dylan?«
»Er hat meine Praxis bei bester Gesundheit verlassen.«
»Und was ist mit Charlie Brisson?« Der Mann mit dem abgebissenen Bein.
McQuillen lacht.
»Schönen Tag noch, Doktor«, sagt er und legt auf.
In der Hütte liegt Violet auf dem Bauch und schläft, ein Knie angezogen, das Laken über ihre Schenkel gestreift. Der fünf Zentimeter breite Streifen ihrer schwarzen Baumwollunterwäsche sitzt genau über ihrer Muschi. Man kann die Pheromone zwischen den Zähnen zerknirschen.
Ich bemühe mich, meine Sachen zusammenzusuchen, ohne Violet zu wecken, aber gerade als ich gehen will, dreht sie sich um.
»Wo willst du hin?«
»Noch mal zu McQuillen.«
»Wie spät ist es?«
»Kurz nach sechs.«
»Ist er da schon wach?«
»Ich habe gerade mit ihm telefoniert.«
Nach einer Weile wird es zu einem Spiel, zu lügen, indem man die Wahrheit sagt. Wie beim Lösen eines Kreuzworträtsels.
»Kann ich mitkommen?«
»Schlaf. Bis du aufwachst, bin ich wieder da. Ich tanke die Mystery Machine auf.«
Sie reibt sich die Augen. »Lass das. Ich hasse
Scooby-Doo
.«
Ich sollte gehen.
»Warum?«, frage ich.
»Weil sich das verflixte Ungeheuer immer als Schwindel erweist. Immer ist es irgendein Versager in Nachtleuchtfarbe, der einem Yuppie Geld stehlen will, von dessen Existenz der gar nichts weiß. Die Einzige, die am Ende profitiert, ist Daphne.«
»Ist das die Blonde?«
»Sie hat rotes Haar. Sie lässt sich ständig entführen, weil sie nur dann kommen kann, wenn sie in den Arsch gefickt wird, während sie gefesselt ist.«
Jetzt sollte ich wirklich gehen.
»Woher weißt du das?«
»Hast du die Sendung denn noch nie gesehen?«
»Doch.«
»Der Blonde ist Fred. Daphnes Freund.«
»Und …«
»Daphne ist bei Fred frigide. Sie hat ihm mal einen runtergeholt und musste sich übergeben. Jedes Mal, wenn Fred zusammen mit Velma eine Falle für das Ungeheuer baut,
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