Einmal durch die Hölle und zurück
fickt er sie zwischen die Titten und hat danach ein schlechtes Gewissen.«
Zu beobachten, wie sich Violet bei diesen Worten streckt, ihre Haut von der Kälte ganz glanzlos, ist surreal.
»Ich dachte, Velma wäre lesbisch«, sage ich.
»Das hat sie bloß Shaggy erzählt, damit er sie nicht mehr anbaggert. Sie würde es lieber mit dem Hund treiben.«
»Interessant. Jedenfalls …«
»Moment. Ich komme mit.«
Ich will gerade sagen, dass sie dableiben soll, aber sie steht schon auf. Als sie zum Bad geht, macht es mich sprachlos, wie sie ihre Unterwäsche wieder über den Hintern zieht und gleichzeitig ihre Brüste zurechtrückt.
Ich stelle mich neben die Badezimmertür, um das Ganze noch mal zu probieren. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass du auf Geschichten mit rationalen Erklärungen stehst.«
»Machst du Witze?«, sagt sie. »Niemand tut das. Das ist wie bei dem beschissenen
Zauberer von Oz
, wo sich der Zauberer als Schwindler erweist, obwohl das Ganze sowieso nur ein Traum ist. Wer träumt schon von einem Zauberer, der sich als Schwindler erweist? Kein Mensch.«
»Aber was ist die Alternative –
Twilight
und
Harry Potter
? Jugendliche, die mehr über die Physiologie von Vampiren und Jesus Christus als über den Menschen wissen?«
»Uii, da ist heute früh aber jemand unleidlich.«
Sie betätigt die Wasserspülung und öffnet kurz darauf zähneputzend die Tür. Sie hat sexy Schlafringe unter den Augen.
»Erstens solltest du nicht an
Twilight
rumnörgeln, du mürrischer Opa. Zweitens glaube ich nicht, dass du
Scooby-Doo
als Biologielehrbuch hinstellen willst. Es geht dabei um einen sprechenden Hund.«
Bei McQuillen pflücke ich das Magnetschild mit der Aufschrift
Bin angeln
von der Praxistür, bevor Violet es sieht, und klingele demonstrativ an beiden Türen. Dann klopfe ich. Dann bitte ich Violet, ums Haus zu gehen und zu sehen, ob sie durch eins der Fenster irgendwas erkennen kann. Lasse den Plastikdietrich und den Spanner aus dem Futter meiner Brieftasche gleiten und entriegele das Schloss beim zweiten oder dritten Versuch.
Ich hätte Violet wirklich nicht mitnehmen sollen. Da sie nun mal dabei ist, muss ich entweder reingehen und wieder draußen sein, bevor sie irgendetwas merkt, oder mir eine gute Erklärung einfallen lassen. Hängt wohl davon ab, was ich in der Praxis finde.
Im Wartezimmer ist es dunkel, aber ich weiß ja, wo die Schreibtischlampe steht. In dem Zimmer dahinter stehen nur unbeschriftete Kartons: zu lästig, die zu durchsuchen. Ich gehe in den Flur.
Den größten Teil der Praxis kenne ich schon, zum Beispiel das Untersuchungszimmer, in dem Dylan untergebracht war, und den leerstehenden Raum. Im Flurschrank gibt es bloß Hausmeisterutensilien und Sanitätsartikel. Ich öffne die abgeschlossene Tür daneben, aber als ich die mit Teppichboden ausgelegte Treppe raufsteige, stehe ich plötzlich in einer Wohnung. Auf halbem Weg zwischen dem Ess- und dem Wohnzimmer, in dem grässlichen Déjà-vu gefangen, dass ich hier bin, um jemanden umzubringen. Ich gehe wieder in die Praxis runter und probiere die Tür am Ende des Flurs aus. Der Raum mit den Akten.
Dort finde ich einen Sessel vor, auf dem sich ein paar medizinische Zeitschriften und eine fast leere Flasche Johnny Walker Red Label befinden. Daneben ein Lampentisch mit einem gerahmten Foto: McQuillen, vor vielleicht vierzig Jahren, neben dem Schreibtisch in seinem Büro. Auf dem Schreibtisch eine Frau mit übereinandergeschlagenen Beinen.
Die Frau ist auf allen Fotos in diesem Raum. Manchmal allein, manchmal zusammen mit McQuillen. Nach ihrem Brillengestell zu urteilen, scheint sie McQuillens Leben, und vermutlich das Leben an sich, um 1990 verlassen zu haben.
Das Ganze ist schaurig, und aus einem unerklärlichen Grund mache ich mir um den alten Mann Sorgen, doch ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich sehe im Medizinschrank nach, schnappe mir ein paar Sachen, die ich vergessen habe vom Schiff mitzunehmen, und widme mich dann den Akten. Zum Glück ist von allen Patienten McQuillens, die Brisson heißen, Charlies Akte am leichtesten zu finden. Sie ist am dicksten.
Charles Brisson ist vierundsechzig Jahre alt. Viel zu jung, um so auszusehen wie in dem Video. Noch so jung, dass McQuillens erster Eintrag aus der Zeit stammt, als Brisson vierzehn war.
Grund für den ersten Besuch: ständiger Durst und Hunger, gepaart mit Gewichtsverlust. McQuillen diagnostiziert Jugenddiabetes und verschreibt ihm ein Medikament, das
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