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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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und Reggies Kanu zum Schaukeln bringt.
    Der Tempel verschwindet aus Reggies Blickfeld. Er sieht nur noch Bambus und den sich verdunkelnden Himmel.
    Innerlich schreit er.
    Doch, wie er merkt, nicht nur innerlich.

16 Camp Fawn See, Ford, Minnesota
    Samstag, 15 . September
    »Das ist ja eine Wahnsinnsgeschichte«, sage ich.
    »Oder?«
    »Sie hatten Ruhr, waren auf Morphium und LSD und von einer Kobra gebissen worden.«
    Reggie schüttelt den Kopf. »In Vietnam war ich die Hälfte der Zeit auf Acid und Morphium. Ruhr hatte ich die
ganze
Zeit. Und ein Kobrabiss ist keine so große Sache, wenn man nicht daran stirbt. Was ich da draußen gesehen hab, war real.«
    »Okay«, sage ich. »Und was war es?«
    Dieses Gespräch gefällt mir ganz und gar nicht mehr. Es erinnert mich daran, wie ich in meinem eigenen Kanu ausgerastet bin, und, noch schlimmer, auch an den Einbeinigen aus dem Video. Genau wie dieser Typ hat mir Reggie gerade im Brustton der Überzeugung eine Geschichte erzählt, die nicht wahr sein kann.
    Ist das hier denn ein Kaff voller Psychopathen? Leuten, die so gut lügen können, dass sie in einem Logikrätsel vorkommen oder zumindest eins der fünfhundert umsatzstärksten Unternehmen leiten sollten, stattdessen aber beschlossen haben, sich an einem beschissenen Schwindel um ein Seeungeheuer zu beteiligen?* Jemand, der so was durchmacht wie Reggie, wird oft lustlos, weil nichts, was er tut oder sagt, auch nur annähernd so emotionsgeladen ist wie das, was ihm vorher widerfahren ist. Doch Reggie wirkt überhaupt nicht lustlos.    [49]
    »Ich glaube, es war ein Wasserdrache«, sagt er. »Es war jedenfalls kein Katzenfisch. Oder ein Irawadidelphin, es sei denn einer mit riesigen Zähnen, der gern Schweine frisst. Und normalerweise ist das nicht der Fall, ich hab’s überprüft. Was das hässliche Aussehen betrifft, könnte es ein Schlangenkopffisch gewesen sein, aber dann war er größer als alle bekannten Exemplare. Ich meine, ein so großer Schlangenkopffisch wäre sowieso ein Ungeheuer der besonderen Art.«
    »Was ist ein Wasserdrache?«, frage ich.
    »Etwas, woran die Kambodschaner glauben.«
    »Aber nicht die Vietnamesen?«
    »Ich weiß nicht. Mir hat es eine Frau in Kambodscha erzählt.«
    »Und jetzt glauben Sie, es könnte einer im White Lake sein?«
    Reggie hält seine leere Dose über den Mund und klopft die letzten Tropfen heraus. »Scheiße, ich weiß es nicht. Das wäre natürlich ein Riesenzufall. Erstens ist das Wasser hier viel kälter. Würde mich aber nicht wahnsinnig wundern. In diesem Leben können mich keine im Wasser lebenden, gruseligen Mistviecher mehr überraschen.«
    »Und jetzt wollen Sie eine Expedition durchführen, um eins zu finden?«
    Er lässt die Dose sinken. »Ja. Auf die eigentliche Expedition freue ich mich nicht gerade. Ich meine, dass ich dann auf dem Wasser bin. Aber dafür gibt’s ja Alphablocker und Marihuana.«
    »Und warum wollen Sie nach Kambodscha gehen?«, frage ich zu einem ähnlichen Thema.
    Er lacht. »Ich ziehe da bestimmt in keine auf Stelzen errichtete Hütte im Sumpf. Da gibt’s auch Häuser auf festem Boden. Und solange man sich von Angkor Wat fernhält, trifft man in Kambodscha auch nicht viele Touristen. Man kann am Strand leben, da gibt’s jede Menge Prostituierte.« Er sieht mich an. »Ich mag Prostituierte. Was soll ich sagen? Und Nordminnesota ist
kein
guter Ort für Prostituierte. Das ist, als würde man nach Mekka reisen, um Schweinefleisch im Bierteigmantel zu essen.«
    »Hier gibt’s Schweinefleisch im Bierteigmantel?«, frage ich. Ich vergesse jedes Mal, wie hungrig mich Marihuana macht.
    »Del macht das manchmal. Das Wetter hier ist auch ätzend. Waren Sie schon mal im Winter hier?«
    »Nein.«
    »Dann ist es kalt. Wie an der Außenhaut eines Flugzeugs. Und im Sommer sind die Stechmücken schlimmer als in Vietnam.«
    »Aber … liegt Kambodscha nicht ein bisschen zu nah an Vietnam?«
    »Hey, die Vietnamesen sind schließlich nicht hergekommen, um
uns
umzubringen.«
    »Da ist was dran.«
    »Egal, ich denke, wenn Chris senior den Schneid hatte, dieses Grundstück zu kaufen, und Chris junior den Schneid hatte, diese Sache mit dem White Lake Monster durchzuziehen, was auch immer er in der Hinsicht vorhatte, dann ist das Mindeste, was ich tun kann, mich eine Woche in ein Kanu zu setzen und das, was sie angefangen haben, zu Ende zu bringen. Schließlich verdiene ich mit der Vermietung dieser Dinger meinen Lebensunterhalt. Chris senior ist

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