Einmal gebissen, total hingerissen
Na so was. Ich boxe noch ein paarmal den Ball. Während er meine Minderwertigkeit als Jägerin beklagt, kann ich geradeso gut auch ein paar Kalorien verbrennen. »Vielleicht haben Sie die Falsche ausgesucht. Haben Sie darüber jemals nachgedacht? Vielleicht bin ich nicht wirklich
Jägermaterial.«
»Wir treffen keine falschen Entscheidungen. Wir haben eine sehr präzise Methode, nach der wir unsere Jäger aussuchen.
Du siehst einfach die Macht nicht, die du hast. Du bist halsstarrig und du weigerst dich zu lernen. Und daher wird deine Macht weiter brachliegen. Quasi in dir selbst eingeschlossen.« Er packt den Punchingball, sodass er nicht länger hin-und herschwingt, wenn ich ihn treffe. »Schauen wir mal, wie du dich mit deinem Pfahl anstellst.«
Er deutet auf die Bank, auf der ich den halb geschnitzten Holzklotz liegen gelassen habe. Ich verdrehe die Augen.
»Kann ich keine richtige Waffe bekommen?«, jammere ich, gehe zu dem Block hinüber und nehme ihn mit einigem Widerstreben in die Hand. »Ein Schwert vielleicht? Oder eine große zweihändige Axt wie Buffy?«
»Indem du diesen Pfahl schnitzt, hast du ihn mit deiner Jägeressenz durchtränkt«, erklärt Teifert, wobei er meine Bitte um scharfe, metallische, tödliche Gegenstände komplett ignoriert. »Also, er hat sich mit dir verbündet und wird nur funktionieren, wenn er von deiner Hand geführt wird. Jeder Pfahl ist für seinen Jäger einzigartig.«
»Klingt irgendwie wie die Zauberstäbe in Harry Potter ?«, kann ich nicht umhin zu fragen.
»Wenn du diese Waffe in die Hände nimmst, wirst du die
Essenz des Baums spüren, von dem er stammt. Du wirst
erfüllt sein von der Kraft dieser mächtigen Eiche. Die
Stärke wird durch dich hindurchfließen und dich eins
machen mit Mutter Erde. Erst dann wirst du in der Lage
sein, deine Mitte zu finden. Und deine Aufgabe zu
erfüllen.«
»Aha.« Ich rolle den Pfahl über die Innenseite meiner
Hand.
»Wenn man bedenkt, dass dieses Ding aussieht wie etwas, das Sie irgendwo auf dem Schulhof ausgegraben haben ...«
»Halte den Pfahl senkrecht, Rayne«, befiehlt Teifert. »Und konzentrier dich auf deine Macht.«
Ich seufze, dann tue ich, was mir gesagt wird. Andernfalls werde ich wahrscheinlich den ganzen Tag hier sein. Ich halte den Pfahl über Kopfhöhe vor mich und konzentriere mich darauf.
Und dann wird es langsam unheimlich. Während ich den
Pfahl anstarre,verschwimmt die Welt um mich herum und
das Holz beginnt langsam, beinahe unirdisch zu leuchten.
Ich sehe voller Ehrfurcht zu, wie er sich direkt vor meinen Augen aus einem Brocken unpolierten Holzes in ein geschmeidiges, scharfes Instrument verwandelt, so glatt wie Glas. Ich wedle damit herum, zögerlich zuerst, dann mit wachsender Selbstsicherheit. So cool. Unglaublich cool. Ich wünschte, ihr hättet es sehen können.
»Und ich bringe ihn dazu, das zu tun?«, flüstere ich. Aus den Augenwinkeln kann ich Teifert nicken sehen.
»Du bist die Auserwählte. Die Jägerin. Wie gesagt, wir
machen keine Fehler.«
»Wow, das ist ziemlich erstaunlich.« Ich trete vor, baue mich vor dem Punchingball auf und stoße mit aller Kraft das Holz hinein. Der Pfahl durchdringt das zähe dicke Leder wie ein Messer die Butter. Hoho! Jetzt macht das
alles langsam Sinn.
Ich ziehe den Pfahl heraus. Er leuchtet nicht länger. Ich drehe mich zu Teifert um. »Okay, jetzt glaub ich Ihnen«, sage ich. »Wer hätte gedacht, dass ich so viel Macht in mir habe?«
»Wer hätte gedacht, dass du den Punchingball erstechen
würdest?«, brummelt Teifert, den meine Heldentat kein
bisschen zu beeindrucken scheint. Er geht zu dem
Punchingball hinüber und untersucht das Loch. »Weißt du, wie teuer diese Dinger sind?«
»Mann! Mir sind gerade magische Superkräfte verliehen
worden, um Vampire zu töten, und Sie interessieren sich nur für Ihre Visarechnung?«
Teifert dreht sich wieder zu mir um. »Jetzt glaubst du mir also? Dass du mit deinem Pfahl die Macht hast, Vampire zu töten?«
»Zum Teufel, ja, ich glaub's. Nennt mich einfach Rayne
Vampirschlächter. Bringt einen Vampir mit einem Treffer um.« Ich wedle noch einmal mit meinem Pfahl herum, aber diesmal leuchtet er nicht auf. Ich konzentriere mich wahrscheinlich nicht genug. Daran muss ich denken, wenn die Stunde null schlägt.
»Gut. Ich hätte gern noch einige zusätzliche
Trainingsstunden mit dir, aber ich bin mir nicht sicher, ob uns dazu die Zeit bleibt«, sagt Teifert. »Wie weit bist du mit deinen
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