Einmal Hochzeit und zurück
nach nur deshalb andere Leute schminken, damit sie ihr eigenes Gesicht und das ihrer Kundinnen im Spiegel vergleichen und sich dabei gut fühlen können. Tashy zitterte, ich schwöre es. Ich fühlte mich wie eine der Dienerinnen von Lady Jane Grey, kurz vor deren Hinrichtung auf dem Schafott.
»Hast du Clelland schon gesehen?«, murmelte ich leise, während die Kosmetikerin verzweifelt versuchte, Tashy mit Rouge einen Hauch Farbe auf die kalkweißen Wangen zu zaubern.
»Ja«, erwiderte Tashy und starrte mutlos auf ihren Brautstrauß. Die Floristin hatte uns geraten, die Stängel ins Wasser zu stellen, damit die Blumen nicht die Köpfe hängen ließen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Tashy selbst ins Wasser zu stellen.
»Wie war er drauf?«
Sie sah mich an. »Seltsam.«
»Wie seltsam?«
»Schwer zu sagen.«
»Sind Sie beide Schwestern?«, fragte die Schminktussi so beiläufig wie möglich.
»Nein«, antwortete ich. »Nur Freundinnen.«
Tashy schniefte lautstark.
»Und, freuen Sie sich schon auf die Hochzeit?«
»Also, das ist eine lange Geschichte«, entgegnete Tashy.
Wir hielten uns fest an den Händen, als wir am ganzen Leib zitternd die Treppe hinunterstolperten. Tashys bekloppte Mum stand unten und rauchte noch schnell heimlich eine Zigarette. Und neben ihr stand Heather.
»Ach, wie ich sehe, hat sie es doch noch geschafft, sich in das Kleid zu zwängen«, bemerkte sie schnippisch. »Ich bin Heather«, sagte sie zu mir. »Natashas Schwester. Und wer bist du?«
Nebenbei bemerkt, Heather hat auch schon so getan, als existiere ich nicht, als wir uns noch kannten.
»Ich bin die Tochter von Tashys Boss«, erklärte ich hastig, ehe mir wieder einfiel, dass Marshall schwul war. Alle sechs Blythe-Augenbrauen schossen nach oben, nur um gleich darauf wieder ihre Ausgangsposition einzunehmen. Man wollte ja nicht unhöflich wirken oder vor Marshalls Tochter etwas ausplaudern, das sie noch nicht wusste.
»Weißt du, wann Dad kommt?«, erkundigte sich Tashy.
»Herrgott, bist du nervös«, bemerkte Heather und lachte ziemlich bitter. »Muss ja heute wirklich der schönste Tag deines Lebens sein.«
Ich hatte Tashys Dad immer gemocht. Er war so eine sanfte Seele. Er war irgendwie gar nicht er selbst, als er den Weg zum Hotel heraufkam, mit seinem steifen Cut und dem leicht zerknitterten Gesicht.
»Hey, Mr. Unpünktlich«, begrüßte ihn Tashys Mum, die großen Wert darauf legte, nach der Scheidung netter zu ihm zu sein als während ihrer gesamten Ehe.
»Ja, ja«, grummelte er. »Wo ist mein Engelchen ... ich meine, mein kleinstes Engelchen?«
Heather stand schmollend in der Ecke, während Tashy zu ihm ging. Sie umarmte ihn einen kleinen Augenblick zu lange, und er tätschelte ihr den Rücken und murmelte beruhigend »Na, na«. Während er sie knuddelte, fragte ich mich, ob er mehr wusste, als er vorgab. Dann trat er zurück und musterte Tash, die von der durch die Tür fallende Morgensonne angestrahlt wurde und einfach umwerfend aussah.
»Danke, Daddy«, flüsterte sie.
Für einen Moment sah er sehr traurig aus und schüttelte leicht den Kopf. Dann fiel sein Blick auf mich.
»Gütiger Himmel!«, rief er alarmiert. »Das Mädchen sieht ja haargenau aus wie -«
Unsere Verwirrung wurde kompensiert durch meine Freude darüber, dass noch jemand wusste, wer ich war - der, so vermutete ich, mich liebte. Am liebsten wäre ich zu ihm gerannt und hätte ihn umarmt.
»Nein, nein«, fiel Tashy ihm ins Wort. »Ich weiß, sie sieht ein bisschen aus wie dieses Mädchen, das ich mal gekannt habe, Flora, aber sie ist Marshalls Tochter.«
Mr. Blythe starrte mich an. »Unglaublich.«
Ich konnte es mir nicht verkneifen und zwinkerte ihm zu. Woraufhin er hastig ein paar Mal blinzelte und sich wieder zu Tashy umdrehte.
»Wir sollten uns auf den Weg zur Kirche machen, Liebes«, sagte er. »Wir wollen doch Max nicht zu lange warten lassen. Du weißt, wie pingelig der ist, wenn es um Pünktlichkeit und so einen Kram geht.«
Sie nickte wie betäubt.
Wir dürften wahrlich keinen erhebenden Anblick geboten haben, als wir nach draußen zu dem wunderschönen Bentley-Oldtimer stolperten. Tashy musste auf der einen Seite von ihrem Vater gestützt werden, während sie sich mit der anderen Hand an meiner Hand festkrallte. Gefolgt wurde dieser Trauerzug von der hässlichen Schwester. Der Fahrer, der vermutlich schon jede nur erdenkliche Art von Hochzeit gesehen hatte, hob bloß die Hand zum Gruß an seine Mütze und machte die
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