Einmal Hochzeit und zurück
lieber mal bei der Braut blicken lassen, sobald ich meine Hälfte Mir blieb das Herz im Halse stecken. Da war er, ungefähr drei Meter entfernt. Clelland. Sah genauso aus wie früher. Ja, wenn überhaupt, dann sah er höchstens noch jünger aus. Dann drehte er den Kopf weg und verschwand im Gedränge.
»O mein Gott«, sagte ich.
»Meine Rede. Sesamwürstchen«, stimmte Oliver mir betrübt zu.
»Nein, nein. Ich habe bloß einen alten Freund gesehen. Ich muss mal rübergehen und ... äh, hallo sagen.«
»Okay. Ich geh mal zu Max und klopfe ihm fest auf die Schulter, um ihm auf unschwule Art zu sagen, dass er sich wacker geschlagen hat«, erklärte Oliver.
Ich ging dorthin, wo ich Clelland gesehen hatte. Doch schon auf dem Weg wurde mir klar, dass hier was faul war.
Wollte mein Gehirn mir einen Streich spielen? Wie konnte hier eine so exakte Kopie eines Mannes herumlaufen, den ich seit sechzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte? Ich meine, schließlich verändert man sich doch im Laufe von sechzehn Jahren, oder nicht? Alles andere war vollkommen unmöglich. Ich meine, ich selbst hatte mich natürlich auch kaum verändert, dank den Wundern der modernen Kosmetik ... na ja, vielleicht ein bisschen. Ich musste plötzlich schlucken und strich mir das Haar glatt. Hatte er vielleicht irgendwo ein Bild auf dem Speicher stehen, das langsam vergammelte?
Dann entdeckte ich das dunkle Jackett wieder. Mit dem Rücken zu mir redete er mit einer der Kellnerinnen. Ich holte tief Luft und ging auf ihn zu.
»Ahm ... hallo!«
Der Mann drehte sich um, und augenblicklich wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Die Ähnlichkeit war allerdings absolut verblüffend. Mein Gegenüber starrte mich an. Es war kein Mann, er war nicht viel mehr als ein Junge.
»Entschuldigen Sie, aber ... also, Sie kommen mir irgendwie so bekannt vor.«
»Ich bin Flora Scurrison«, sagte ich argwöhnisch.
Er runzelte die Stirn, so angestrengt dachte er nach, doch dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »O mein Gott! Erinnern Sie sich denn nicht mehr an mich?«
Irgendwas klingelte in meinem Hinterkopf.
»Justin!«
Justin, Justin ...
Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag.
»O mein Gott.«
»Ja!«
»Du bist Clellands kleiner Bruder.«
Der mit dem Babyfon.
»Ja! Ich kenne Sie von den Fotos.«
»Ich bin so alt«, sagte ich, fast ohne es zu merken.
»Alle kommen dauernd an und sagen mir, ich wäre ja so groß geworden. Ich bin fast siebzehn. Fast erwachsen also.« Auf einmal wirkte er ziemlich missmutig, was mich unweigerlich an Clelland erinnerte.
»Du siehst deinem Bruder wirklich sehr ähnlich.«
»Tu ich nicht.«
»Tut er nicht«, sagte eine tiefe Stimme.
Ich blickte hoch.
»Hallo, Flora. Justin, zieh Leine.«
»Immer behandelst du mich wie ein kleines Kind«, murrte Justin.
»Ja, weil du dauernd schmollst und motzt.«
Schmollend und motzend schob Justin ab.
»Der kriegt sich schon wieder ein. Er muss neunmal am Tag essen, also ist er am Büffet vermutlich am besten aufgehoben.«
Clelland war ... na ja, es wäre unmöglich gewesen, ihn irrtümlich für irgendjemand anderen zu halten als ihn selbst.
Er war kräftiger geworden, klar. Unmöglich hätte er so lächerlich dünn bleiben können wie als Teenager. Das konnte nur David Bowie, aber sonst niemand. Aber seine schwarzen, verstrubbelten Haare waren noch genau wie früher.
»Ich dachte, er wäre du«, erklärte ich. Mehr als diesen kurzen Satz traute ich mich noch nicht zu sagen.
»Herrje, wirklich?« Er guckte seinem Bruder hinterher, wie er davonlatschte. »War ich in dem Alter auch so ein schlapper Gartenzwerg?«
»Nein, viel schlimmer!« Ich stieß ein ziemlich merkwürdiges, halb ersticktes Lachen aus. »Zumindest trägt er kein Morrissey-T-Shirt. Und das jeden Tag!«
»Das war mein Lieblings-T-Shirt.«
»Ich weiß.«
Ich streckte die Hand aus. »Clelland, schön dich zu sehen.«
»O Gott, sag bitte John. Keiner nennt mich mehr Clelland.«
»Tatsächlich? Ich dachte, du würdest dich niemals in spießbürgerliche Namenskonventionen zwängen lassen.«
»Ach ja? Und schreibst du deinen Namen immer noch P-f-l-o-w?«
»Nein«, sagte ich und wurde puterrot.
»Und ... was hast du so getrieben?« Er sah ... er sah einfach toll aus. Und wirkte amüsiert, mich zu sehen.
»Och, alles Mögliche«, sagte ich nonchalant, während er einen mit Tablett vorbeigehenden Kellner um zwei Gläser Champagner erleichterte.
»Ach ja?«
»Nein!«,
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