Einmal Hochzeit und zurück
entschlossen.
»Wie - überhaupt nicht, niemals?«, fragte er und sah mir in die Augen.
»Ich weiß nicht...«
»Tut mir Leid«, sagte er, »aber du bist doch m-meine Freundin, Flo, und ich d-dachte ...«
Er war so rot im Gesicht, dass ich fürchtete, der Kopf könnte ihm explodieren. Und dieses plötzlich auftretende Stottern tat nichts zu meiner Beruhigung. »Ich ... ich glaube nicht.«
»Natürlich«, sagte er.
»Alle zusammen! Brautjungfern! Platzanweiser!«, hörte ich Tashys Mutter vom Haus her rufen. »Kommt alle her! Wir schneiden den Kuchen an!«
Wir starrten uns an wie zwei aufgescheuchte Rehe. Clelland wollte seine Hand wegziehen, aber noch ehe er das konnte, war ich bereits aufgesprungen. Ich war so rosarot wie mein Kleid, als ich zum Haus lief und ihn einfach stehen ließ, und er blieb verwirrt zurück und blickte mir nach.
Heather sah bildhübsch aus, ihr Haar war noch genauso steif wie am Morgen, neigte sich aber inzwischen bedenklich nach links.
Sie legte ihre Hand auf die von Merrill. Der Kuchen war ein grotesker, sechsstöckiger Albtraum in Pink, aus dem an allen Ecken und Enden Blumen sprossen. Ich schloss fest die Augen.
»Was machst du denn da?«, flüsterte Tashy, die ich zum Glück gleich gefunden hatte, als ich wieder hereingekommen war.
»Mir was wünschen, wenn sie den Kuchen anschneiden.«
»Man kann sich doch nichts wünschen, wenn eine Hochzeitstorte angeschnitten wird. Du verwechselst das mit dem Kerzenauspusten auf dem Geburtstagskuchen.«
»Man kann sich sehr wohl was wünschen«, widersprach ich ziemlich angesäuert.
»Selbst wenn, dann hättest nicht du einen Wunsch frei, sondern das Brautpaar, das sich dann haufenweise Kinder oder so was wünschen könnte. Igitt! Stell dir mal Heather mit Babys vor!«
»Igitt!«, stimmte ich ihr lächelnd zu und fühlte mich schon ein bisschen besser. Sie setzten das Messer an. Ich schloss trotzdem die Augen.
»Ich wünschte ... ich wünschte, ich wäre erwachsen, und das mit der Liebe wäre ganz einfach.«
Das Komische war, als alle Fotos geknipst worden waren und alle die Gläser auf das Brautpaar erhoben hatten, fühlte ich mich tatsächlich irgendwie anders, auf eine merkwürdige Art und Weise. Ich schob es auf die wundersame Veränderung, die angeblich in einem vorgeht, wenn man erwachsen wird, so ähnlich, wie eine eigene Sozialversicherungsnummer zu bekommen. Eine Veränderung, von der ich bisher allerdings noch nichts bemerkt hatte.
Doch jetzt hatte mich ein Mann berührt. Ich war eine Frau. Ich hatte eine Entscheidung getroffen wie eine erwachsene Frau. Also würde ich mich auch wie eine benehmen. Und außerdem wollte ich ihn natürlich auf gar keinen Fall verlieren.
Ich steuerte schnurstracks auf Clelland zu, der in seinem schwarzen Shirt, auf dem er bestanden hatte, völlig deplatziert wirkte, schleifte ihn auf die Tanzfläche und küsste ihn wie eine richtige Frau.
Erst Jahre später ist mir aufgegangen, wie unsagbar kindisch und peinlich das damals für unsere Familien gewesen sein muss.
Und die eigene Familie lässt einen so was natürlich nie vergessen. Mein Dad war gerade bei Tashys Hochzeitsparty eingetrudelt, mit Verspätung und schon leicht angesäuselt. Schwung- und geräuschvoll kam er auf Olly, Clelland und mich zu.
»Hallo, Clelland junior! Schön, dich zu sehen! Sag mal, du versprichst mir doch, mein Mädchen heute Abend nicht in aller Öffentlichkeit abzuschlabbern, oder? Nicht wie bei gewissen anderen Hochzeiten, die ich hier erwähnen könnte.« Er klopfte ihm auf die Schulter und schnaubte vor Lachen.
Olly spitzte die Ohren.
»Dad!«, protestierte ich und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Das ist doch Jahre her.«
»Ich werde mir Mühe geben«, erwiderte Clelland, der das offensichtlich lustig fand.
»Hallo, Mr. Scurrison«, sagte Olly.
Mein Dad ist immer ein bisschen unhöflich zu Olly. Ich weiß nicht, warum, aber mein Dad tut ja auch immer so, als könne er alle gut leiden, hat aber den meisten Leuten gegenüber eine vorgefasste Meinung, zum Beispiel was den Schauspieler Jim Davidson oder Tony Blair angeht.
»Oh, hallo, Oliver. Hatte Sie gar nicht gesehen. Haben Sie abgenommen?«
Das war nicht fair. Olly konnte schließlich nichts dafür, dass er inzwischen etwas mehr als nur ein kleines Bäuchlein angesetzt hatte. Wir machten alle Überstunden, und wenn man so gut wie gar nichts zu essen bekommt und sich dann an Würstchen satt essen muss, dann können die Dinge schon mal
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