Einmal Hochzeit und zurück
alles Mögliche anstellen.«
Clelland streckte mir die Unterlippe raus.
»Ahm ... ich bin ethischer Logistiker.«
»Bitte was?«, fragte ich.
»Oh. Treten Sie oft auf der Bühne auf?«, erkundigte Ol sich. »Mit Marionetten und so?«
»Nein ...«
»Okay, was dann?«
»Tja, also, ich versuche, Hilfsgüter auf dem besten und schnellsten Weg ans Ziel zu bringen. Versuche die Gefahr herunterzuspielen, dass unsere Mitarbeiter von einer feindlichen Armee entführt werden, all so ´n Kram.«
Ich gebe es zu. Mein Herz machte einen Satz. Genau das hatte er auch in meinen Träumen getan. Das, oder irgendwo als abgerissener tragischer Poet a la Moulin Rouge gehaust, was ja auch nahe liegend war, aber das jetzt - so heldenhaft, uneigennützig, männlich und plötzlich sah ich ihn vor meinem inneren Auge auf einem Elefanten stehen, warum auch immer. Und dann, ich schäme mich, es zuzugeben, sah ich mich als Meryl Streep in Jenseits von Afrika- mäßigem Leinenoutfit die Zeilen sagen: »Ich hatte eine Farm in Afrika ...«
»Es hängt mir zum Hals raus«, sagte Clelland. »Ist ein beschissener Job.«
»Ehrlich? Klingt aber interessant«, erwiderte Olly.
»Das sagen alle.« Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar. »Alles bloß endlose Regierungsbehördenbürokratie, und wie viel Gutes wir letzten Endes damit tun, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Wirklich besser wird die Welt dadurch jedenfalls auch nicht. Oje, tut mir Leid. Bin ich gerade etwas zu deprimierend für eine Hochzeit? War ich früher auch schon so?«
Er sah mich direkt an, aber ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Reiß dich zusammen, befahl ich mir streng. Olly würde sonst bestimmt jeden Augenblick die Hitzeschwaden, die meinen Kopf umwaberten, mitbekommen und mir die Hölle heiß machen.
»Du warst noch schlimmer«, antwortete ich.
Auf Heathers Hochzeit kurz vor meinem Geburtstag hatte ich hemmungslos mit dem Trauzeugen geflirtet, mit sämtlichen Platzanweisern eine heiße Sohle aufs Parkett gelegt und mir am Ende mit Clelland draußen am Springbrunnen eine Flasche Champagner geteilt, während der sich über die beschissene spießbürgerliche Pflicht zur Zwangsversklavung ausließ. Natürlich alles Käse. Reiner Zufall, dass es bei Tashys Schwester so gekommen war.
»Ich heirate nie im Leben«, sagte er, und mein kleines Teenagerherz wäre beinahe stehen geblieben. Was hatte ich mir nur gedacht? Dass wir zusammen nach Gretna Green abhauen würden? Warum hatte ich mir eingebildet, Männer, die zwei Jahre älter waren als ich, seien erwachsen? Weil ich es nicht besser wusste, vermutlich.
»Oh«, sagte ich und befingerte verlegen die welkenden Rosen in meinem Strauß. Dann tauchte ich, wie ich hoffte sehr verführerisch, die Finger in den Springbrunnen.
»Ritualisierte Versklavung«, knurrte er und zog mich in seine Arme. »Für Männer und Frauen.«
Seine lange schlanke Hand streifte die Oberkante der Spitze an meinem Kleid. Ich erbebte. Wir hatten schon heftig rumgeknutscht, stundenlang und mit allen Schikanen, aber trotzdem hatte ich schwerwiegende moralische Bedenken; ich wollte schließlich keine Schlampe sein, und die Warnungen meiner Eltern und diverser Anti-Aids-Kampagnen klangen mir noch in den Ohren, und auch als schwangeres Schulmädchen ohne Zukunftsperspektive mochte ich mich nicht sehen, und Schiss hatte ich außerdem, also war am Gummibund meines C&A-Höschens Schluss.
»Du bist wunderbar«, sagte er. Ich strahlte. Er nahm das als Vorwand, die Hand unter die sechzehn Lagen Tüll zu schieben, die ich anhatte. Nicht weiter verwunderlich, dass er sich auf dem Weg völlig verirrte, und die ganze romantische Szene am Springbrunnen drohte zu kippen, während wir weiterküssten und er verzweifelt nur wenig nördlich von meiner Kniegegend herumtastete, hoffnungslos in mein Kleid verstrickt.
Je hektischer er herumgrapschte, desto peinlicher wurde mir das Ganze. So stand das aber nicht in unseren geklauten Cosmo-Zeitschriften. Und in den Teenie-Serien wie Blutsbande oder Sweet Valley High sah das auch ganz anders aus.
»O Mann«, stöhnte Clelland vor Lust und Frustration.
Ich musste schlucken. Wir waren noch in dem Stadium des Küssens, wo man sich dauernd fragt, was man mit seiner Spucke machen soll.
»Ähm ...«, sagte ich.
Dann fand er es.
»Ooh!«, sagte ich.
Er sah mich an, aber sein Blick war ganz glasig, als könne er mich gar nicht richtig sehen.
Ich schluckte noch mal. »Ich kann nicht«, sagte ich
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