Einmal Hochzeit und zurück
freundlich zu ihr, das muss man schon sagen. Ich glaube, er weiß, dass er, weil ich keine Brüder habe, der einzige Mann im Leben meiner Mutter ist, vom Briefträger mal abgesehen, also ist er immer sehr nett zu ihr. Sie ist bloß ein bisschen - oder vielmehr sehr - anhänglich.
Aber dieses »Nenn mich Mummy«-Getue muss endlich aufhören. Wirklich.
»Hallo, Mummy«, sagte Ol, beugte sich zu ihr und umarmte sie. Ich glaube, was mir am meisten auf den Wecker geht, ist die Tatsache, dass Olly sich besser mit meiner Mutter versteht als ich. Und umgekehrt auch. Manchmal denke ich, die beiden wären ohne mich viel besser dran.
Meine Mutter drehte sich zu mir um. »Sag jetzt nichts, Liebes!«, raunte sie mir zu.
Clelland beugte sich herüber. »Willst du mich ›Mummy‹ nicht noch mal vorstellen?«, fragte er mit einem Funkeln in den Augen.
»Wahrscheinlich hat sie dich gar nicht erkannt«, sagte ich. »Nachdem du damals einfach verschwunden bist.«
»Was soll das denn heißen?«
»Du. Bist. Verschwunden. Nach Aberdeen. Schon vergessen?«
Er stutzte. »Ich habe nicht vergessen, dass du keinen meiner Briefe beantwortet hast.«
»War viel los in diesem Sommer.«
»Das kannst du laut sagen«, murmelte er mit verärgertem Gesicht.
»... spielt mit deinem Joystick«, grölte Max.
»Du heiratest also?«
Ich zuckte die Achseln. »Guter Gott, nein ... ich meine, vielleicht, ich habe mich noch nicht entschieden ...«
»Hat er dich noch nicht gefragt?«
»Darum geht es nicht.«
»Willst du ihn gegen seinen Willen dazu zwingen?«, erwiderte er und grinste.
»Nur wenn es unbedingt nötig ist. Und dann auch bloß mit Gewehren und Hunden und so, nichts Schlimmes.«
»Das brauchst du bestimmt nicht. Du solltest heiraten.«
»Seit wann bist du denn Fachmann auf dem Gebiet?«, fragte ich, plötzlich leicht in Panik.
Warum war ich in Panik? Das war doch lächerlich. Und außerdem trug er keinen Ring. Das hatte ich schon abgecheckt.
»Ich denke gerade darüber nach.«
»Ach ja? Wer ist denn die Glückliche? Haggis McBaggis, die berühmte Fischerin aus Aberdeen?«
»Hallo«, sagte ein bildhübsches dunkelhaariges Mädchen, das plötzlich aus dem Nichts neben uns aufgetaucht war.
»Wer ist das denn?«
»Na ja, manchmal fischt sie«, erklärte Clelland, »aber bloß nach Komplimenten. Das ist Madeleine.«
»Was erzählst du da über mich?«, fragte sie. »Ignorieren Sie ihn einfach, er ist unglaublich unhöflich.«
»Siehst du?«, sagte Clelland.
»Du wirst nachher richtigen Ärger bekommen.« Und dann kitzelte sie ihn an der Nase.
»Wunderbar«, sagte er.
Was ist das denn für ein Flittchen, muss ich gestehen, habe ich bei mir gedacht.
»Sind die ersten vier Jahre einer Beziehung immer die schlimmsten?«, fragte Madeleine. »Bitte sagen Sie mir, dass es so ist. Ich glaube, lange halte ich das nämlich nicht mehr aus.«
Und Clelland legte einen seiner starken Arme um sie und zog sie an sich.
»Na ja, wenn wir erst wieder in Afrika sind, wird alles ganz anders«, sagte sie.
Ob es wohl mein Schicksal war, bei allen Partys letzten Endes immer am Springbrunnen zu landen? So schnell es mein Anstandsgefühl zugelassen hatte, war ich hinausgeschlüpft und hatte mich verdrückt, obwohl ich hörte, wie meine Mutter in diesem quengeligen Tonfall, den sie immer draufhat, wenn sie sich aufregt, Leute nach mir fragte. Zweimal täglich mit ihr zu telefonieren reichte mir eigentlich dicke. Ich nahm mein Champagnerglas und schlenderte den Pfad hinunter. Alle auf Hochzeiten spezialisierten Landgasthäuser haben Springbrunnen. Die gehören da zum Inventar.
Wie damals tauchte ich auch jetzt die Hand ins Wasser und versuchte nachzudenken. Warum - warum nur fühlte ich mich so? Ich zitterte ja beinahe. Und mein Kopf schwamm vor Scham und Angst und nacktem Elend, und ich wusste nicht einmal, warum. Was war denn bloß los mit mir? Ich reagierte ungemein heftig auf etwas, das fast jeden Tag passierte. Ich hatte nach langer Zeit jemanden wieder getroffen, der mir mal was bedeutet hatte. Und wenn schon! Lieber Himmel, das war mittlerweile sechzehn Jahre her. Die Zeit zwischen dem letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, und heute war genauso lang wie die Zeit zwischen meiner Geburt und meiner ersten Verabredung. Himmel, war das grausam. Dieser ganze Sommer war ein Abschnitt meines Lebens, den ich nach Möglichkeit verdrängte.
Ich dachte im Moment ganz sicher nicht wie eine Erwachsene, wie ein vernünftiger, glücklicher Mensch. Ich
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