Einmal Hochzeit und zurück
aus dem Ruder laufen. Aber er sah in seinem Anzug wirklich gut aus.
»Ahm, nein. Wie geht es Ihnen?«
»Mit geht es gut, sehr gut! Aber ihr müsst dafür sorgen, dass ich Floras Mutter nicht über den Weg laufe.«
Ich verzog das Gesicht. Mir ist schon klar, wie wichtig es für meinen Vater ist, so zu tun, als sei die Trennung meiner Eltern bloß eine komische Farce a la »Hoppla, Herr Pfarrer, wo ist denn mein Schlüpfer?«, aber das heißt noch lange nicht, dass ich das gut finden muss. Schließlich war ich diejenige, die in ihrem ersten Semester an der Uni zu Hause anrufen und sich anhören musste, wie meine Mutter fünfundvierzig Minuten lang ununterbrochen schluchzte. Ich bin diejenige, die ausnahmslos jeden Abend zu erreichen sein muss, weil sie sonst die Polizei ruft. Das einzige Kind einer neurotischen Mutter zu sein, ist noch weitaus weniger spaßig, als es sich anhört. Und es war seine Schuld.
Wieso, frage ich mich, müssen so viele Ehen nur derart schrecklich enden? »Wir warten bloß noch, bis die Kinder aus dem Haus sind.« Was bitte soll das denn heißen? »Wir warten bloß ab, bis unsere Kinder ihre ersten unsicheren Schritte in die Welt hinaus machen, ihre eigene Persönlichkeit und Identität entwickeln und zum ersten Mal allein leben, und dann bringen wir ihre ganze Welt zum Einsturz?«
Ich hatte meinem Dad verziehen. Wobei einem natürlich eigentlich gar keine andere Wahl bleibt, es sei denn, man nimmt in Kauf, dass das Ganze in eine Blutfehde ausartet, die ihren Hass über alle kommenden Generationen ausschüttet. Ich kann dazu nur sagen: Sie war 29, es hielt sechs Monate, und hinterher wollte er selbstredend wieder zurück nach Hause. Er hat mir gesagt, das sei seine letzte Chance gewesen, noch mal was anderes auszuprobieren, und ich würde es verstehen, wenn ich älter sei, und wissen Sie was, manchmal, wenn ich mir mein Leben so anschaue und wenn ich ganz ehrlich bin, dann kann ich das tatsächlich.
Ich war hin und her gerissen, als meine Mutter ihn nicht mehr wiederhaben wollte. Ein Teil von mir wünschte sich bloß, alles möge sich in Wohlgefallen auflösen und mit meinen Eltern würde alles wieder, wie es früher einmal war, oder noch besser, so wie ich es mir immer erträumt hatte, mehr wie bei Familienbande als bei Eine schrecklich nette Familie. Aber ich war froh, dass sie es nicht machte. Ich war froh, dass sie standhaft blieb. Denn obwohl ich keine zwanzig Jahre Ehe auf dem Buckel hatte und nicht viel über das Leben wusste (auch wenn ich damals wohl dachte, ich wüsste so ziemlich alles), wäre ich selbst der Liebe meines Lebens gegenüber gerne genauso unnachgiebig gewesen wie sie.
Und dann sah ich sie hereinkommen, beschloss aber, mich unsichtbar zu machen, bis ich Dad losgeworden war. Als ich ihre Silhouette bemerkte, fiel mir plötzlich auf, wie alt sie aussah. Mein Vater wirkte wie ein fröhlicher, untersetzter, allmählich kahl werdender Mann mittleren Alters, von denen es in Großbritannien schätzungsweise zehn Millionen gibt. Gutes Beamtenmaterial. Meine Mutter dagegen war schrecklich dünn für ihr Alter - ich versuchte immer, sie für Milkshakes zu begeistern, wegen dieser Sache mit der Osteoporose - und ging, als habe sie ständig Schmerzen. Wenn man genau hinsah, bekam sie schon einen Buckel. Wenn die Welt um einen herum erst mal zusammengebrochen ist, dann gibt es kein Zurück mehr, glaube ich. Für sie jedenfalls nicht. An die unbeschwerte, natürliche Art und Weise, wie meine Mutter und ich miteinander umgegangen sind, als ich noch ein Teenager war - so ganz normal mit Schmollen und Eingeschnapptsein und Türenknallen -, kann ich mich kaum noch erinnern. Und jetzt kommt sie mir mehr wie ein uraltes Hausmütterchen vor, das niemandem mehr über den Weg traut.
Mein Gott, Tashy war damals echt super. Ich wusste nicht, was schlimmer war: meinen Dad zu verlieren oder Clelland. Außerdem suhlte ich mich so sehr in meinem eigenen Unglück, dass ich meiner Mom in dieser schweren Zeit keine große Stütze war, und das werde ich mir wohl nie verzeihen. Feierlich zerrissen Tash und ich Clellands Briefe (die ich trotzdem weiterhin las: Ihm ging es hervorragend. Ich bekam insgesamt nur drei Stück, weil ich auf keinen davon antworten konnte. Was hätte ich denn schreiben sollen? »Lieber Clelland. Mein Leben ist Scheiße. In Liebe, Flora«?). Ich zog den Kopf ein und versuchte, darüber hinwegzukommen, und seither hatte ich mich nach Kräften bemüht, meinen Spaß zu haben.
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