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Einmal Hochzeit und zurück

Einmal Hochzeit und zurück

Titel: Einmal Hochzeit und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
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lächelte ihn nervös an.
    »Guten Morgen, Mr. Rolf!«
    Ich musterte ihn unwillkürlich, während ich das sagte. Die letzten eineinhalb Jahrzehnte waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er hatte schon früher ein bisschen schlampig ausgesehen, aber jetzt wirkte er richtiggehend ungepflegt und schmuddelig, und die unvermeidlichen lehrertypischen Schuppen bedeckten seine Schultern. Soweit ich mich erinnern konnte, war er nicht verheiratet. Damals hatten wir immer gekichert, dass uns das nicht weiter wunderte. Jetzt sah ich einen bemitleidenswerten Mann vor mir, einsam und gebrochen von all den Jahren der Auseinandersetzung mit Leuten, die sich aus Erdkunde nie etwas machen würden. Ich platzte damit heraus, ehe ich mich eines Besseren besinnen konnte.
    »Geht es Ihnen gut? Sie sehen müde aus.«
    Er starrte mich eine halbe Sekunde an.
    »Scheiße«, sagte ich, was ich gleich umso mehr bereute.
    »Frechheit!«, kläffte er. An dieses schrille Bellen konnte ich mich nur allzu gut erinnern. »Nachsitzen!«
    Was? Ich hatte meine eigene Sekretärin! Mir konnte man doch kein Nachsitzen aufbrummen.
    »Entschuldigen Sie bitte, Sir«, sagte ich und wurde rot. Ich hatte nie nachsitzen müssen, als ich noch zur Schule ging. Herrje, und wie lange hatte ich diesmal dafür gebraucht?
    Vier Sekunden.
    »Ich frage dich noch einmal - warum schleichst du auf dem Gang herum und beleidigst die Leute, wenn du eigentlich im Unterricht sein solltest? Oder hat man dir etwa die Stelle als unsere neue Vertrauenslehrerin angeboten, hähä?«
    „ Oho, Lehrersarkasmus. Wie ich den vermisst hatte.
    »Tut mir Leid.« Ich versuchte, reumütig aus der Wäsche zu gucken, und starrte angestrengt auf meine Schuhspitzen. Plötzlich war mir, als müsse ich gleich weinen. Musste wohl an all diesen Teenagerhormonen liegen, die in meinem Körper herumschwappten.
    »Also ehrlich! Dabei gehören Sie normalerweise zu den Besseren! Mir aus den Augen!«
    Ich flitzte über den Flur davon.
    »Das ist die falsche Richtung, Miss Scurrison.«
    Ich flitzte an ihm vorbei in die andere Richtung.
    »Zusätze im Orangensaft«, murmelte er in seinen Bart, wobei sein saurer Atem mir voll ins Gesicht schlug, als ich an ihm vorbeilief.
    Die ganze Klasse blickte auf, als ich tief Luft holte und hineinging. Alle schienen sich vielsagend anzugucken. Oder bildete ich mir das nur ein, hier in meiner neuen Dimension der Hölle?
    Miss Syzlack erkannte ich gleich wieder, aber sie sah müde aus, genau wie Mr. Rolf. Und wie üblich war sie in die Abgründe der Modesünden gestürzt. In ihrer schäbigen Strickjacke und dem Blumenrock mit der hohen Taille sah sie aus wie ihre eigene Großmutter, und ich war schockiert, als ich mir ausrechnete, dass sie nicht älter als 37 oder 38 sein konnte. Ich meine, mein Gott, in dem Alter hat Madonna gerade erst richtig losgelegt.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich.
    Es gab zwei freie Plätze im Klassenzimmer, und ich folgte ihrem Blick zu einem der beiden. Auf dem Platz daneben saß ein dunkelhaariges Mädchen mit verschmitztem Blick, das unter der Bank wild gestikulierte. Ich sauste hin und setzte mich.
    »Wo bist du gewesen?«, flüsterte das Mädchen. Sie war sehr klein und hatte eine lange Nase, schwarze Augen und ausdrucksstarke, gezackte Augenbrauen. »Geht es dir gut? Gestern Abend - war es okay?«
    Ich setzte zu einer Antwort an.
    »Bitte keine Privatgespräche«, sagte Miss Syzlack und fing an, die Anwesenheitsliste durchzugehen.
    »Kann schon mal passieren, okay?«, sagte diese seltsam vertraute kleine Person mitfühlend.
    »Constanzia Di Ruggerio, quatschst du etwa?«
    Der Zwerg neben mir bemühte sich, möglichst zerknirscht dreinzublicken. »Nein, Miss.«
    Constanzia Di Ruggerio? Cool. Meine Freundin hatte echt einen schönen Namen. Ich lächelte ihr kurz zu, und sie wackelte mit den Augenbrauen. Von ganz hinten tat einer so, als müsse er husten, wobei er aber eigentlich etwas sagte.
    »Lesbenschnalle.«
    War ich eine Lesbenschnalle?
    Die Namen auf der Liste nahmen kein Ende. Wer waren bloß all diese Leute? Und, was noch wichtiger war, wie hießen die, zum Kuckuck? Beim ersten Mal war mein Name der ungewöhnlichste der ganzen Klasse gewesen, und fast alle Mädchen hießen Tracy, mit oder ohne ›e‹, Claire, mit oder ohne ›i‹, oder Anne-Marie, in ungefähr hundert verschiedenen Schreibweisen. Die Jungs hießen alle Mark, David. Kevin, Peter oder Andrew, und das zu Recht.
    Aber wo kamen bloß all die Courtneys und

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