Einmal Hochzeit und zurück
Hayleys, Jessicas und Ashleys her? Es war, als seien wir von einer amerikanischen Seifenoper übernommen worden. Fallon? Da klingelte doch irgendwas bei mir. Nein, bestimmt nicht. Doch, tatsächlich, eins der Mädchen war nach einer Figur aus dem Denver Clan benannt worden.
Ich drehte den Kopf, um mir anzugucken, wer Longworth, Fallon war, und sah weiter hinten ein großes, dünnes Mädchen mit dunklen Haaren sitzen. Sie hatte silbern lackierte Fingernägel und grinste höhnisch, als sie aufgerufen wurde.
»Schön, dass du uns heute auch mal beehrst«, sagte Miss Syzlack.
Statt einer Antwort rümpfte Fallon nur die Nase. Dann bemerkte sie, dass ich sie ansah, und sie bedachte mich mit einem Blick, den man nur als den Blick bezeichnen konnte.
Das mit den Blicken hatte ich ganz vergessen. In meinem Leben - meinem alten Leben, meinem Leben als 32-Jährige klärt man seine Probleme mit anderen Leuten in einem Gespräch, oder, na ja, man hat erst gar keine Probleme mit anderen Leuten, weil man sich seine Freunde selbst aussuchen kann und man sich nicht alle naselang mit ihnen zankt, und wenn man bei der Arbeit Schwierigkeiten mit einem Kollegen hat, dann ist das halb so wild, und man kann mit seinem Chef darüber reden und sich beschweren und ... Oh nein! Sie tuschelte mit einer ihrer Freundinnen, und jetzt guckten sie beide zu mir rüber und warfen mir Blicke zu! Mist! Dreck, verfluchter! Jetzt formte sie ein Wort mit den Lippen. Ich konnte es nicht genau verstehen, aber es sah sehr nach »schwule Jule« aus.
»Scurrison, Flora?«
Ich fuhr herum, als ich meinen Namen hörte, war aber ganz verwirrt und wusste nicht recht, was ich tun sollte.
Miss Syzlack sah mich jetzt ebenfalls an. Warum hatte ich sie nur als nette Lehrerin in Erinnerung? Die Jahre hatten sie anscheinend vertrocknen lassen wie Dörrobst.
»Haben Sie Ihren Namen vergessen, Miss Scurrison?«
»Nein, Miss Syzlack.«
Sie rieb sich ein Auge. »Bleib nach der Stunde, ich möchte mit dir reden«, sagte sie.
Am liebsten wäre ich unauffällig hinter Constanzia zur Tür hinausgeschlichen, die mir einen derart herzlichen, mitfühlenden Blick zuwarf, dass ich mich fragte, ob an dem ganzen Lesbengerede vielleicht wirklich was dran sein könnte. Aus unerfindlichen Gründen zischte Fallon missbilligend, als sie an mir vorbeiging. Nein nein nein nein! Ich wollte, dass das alles aufhörte, und hätte am liebsten gerufen: »Leute, das war gestern. Vielleicht war ich mal eine Lesbenschnalle. Aber jetzt, heute, bin ich supercool! Ich kann euch helfen! Ich wette, ich bin nonchalant genug, Alkohol im Laden zu kaufen, und Schweinkram und so. Kommt zu mir, ich habe das alles schon mal gemacht.«
»Flora«, sagte Miss Syzlack. Sie saß auf der Ecke ihres Schreibtischs, locker-flockig, wie Lehrer es gerne machen, wenn sie vorgeben wollen, auf du und du mit den Kids zu sein.
»Ist alles in Ordnung? Gestern haben sich viele Leute ganz schön Sorgen um dich gemacht, weißt du?«
»Ja, das tut mir sehr Leid«, sagte ich. In diesem Moment hätte ich nur zu gerne jemanden gehabt, dem ich mein Herz ausschütten konnte, aber ich wusste immer noch nicht, wie ich meine Geschichte erzählen sollte, ohne in einer geschlossenen Anstalt zu landen, an ein Bett gefesselt neben einem Mädchen, das den Poltergeist erscheinen lässt, also beschloss ich, lieber die Klappe zu halten.
»Und?«
Am liebsten hätte ich gesagt: »Miss, ich will ja hier keinen auf Stilberaterin machen, aber haben Sie schon mal was von Strähnchen gehört? Und wie wär‘s, wenn ich Ihnen den Weg zu einem wirklich netten Fitnessstudio für Frauen erkläre? Und wo ich Sie schon mal hier habe, warum hängen Sie den Lehrerjob, den Sie offensichtlich hassen, nicht an den Nagel und machen eine Weltreise?«
Ich zuckte die Achseln. »Vermutlich habe ich bloß Panik gekriegt«, sagte ich. »Mit den Prüfungen dieses Jahr und all dem. Ich musste einfach mal ein bisschen Dampf ablassen. Das ist doch in meinem Alter nichts Ungewöhnliches, oder?
Mein Hormonspiegel tanzt Tango. Ich wundere mich fast, dass ich nicht in Sie verknallt bin.« Ach du lieber Himmel.
»Ich meine, alles verändert sich ständig. Momentan komme ich kaum bei meiner eigenen BH-Größe mit, vom gesellschaftlichen, schulischen, biologischen und kulturellen Druck, dem Teenager heutzutage ausgesetzt sind, mal ganz zu schweigen. Und es stimmt ganz und gar nicht, dass dies wunderbare Jahre sind - da wird mir jeder zustimmen. Es ist so unfair, dass
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