Einmal Hochzeit und zurück
fertig.
»Weißt du, seit Monaten esse ich nur noch gedämpften Fisch, und trotzdem sehe ich nicht halb so gut aus wie du.«
»Du siehst toll aus«, erwiderte ich, ein Reflex, der bei der besten Freundin völlig unwillkürlich einsetzt.
»Das will ich auch hoffen«, murmelte sie versonnen. »Wie sehe ich an meinem großen Tag aus?«
»Oh, über die eigene Zukunft darf niemand was erfahren«, wiegelte ich ab. »Das ist verboten.«
»Ist die Rede von Max wenigstens witzig?«
»Ja«, log ich. »Ahm, wie geht es Max denn?«
»Na ja.« Sie wirkte plötzlich ein wenig unbehaglich. »Ich habe gesagt: ›Du errätst nie, was Flo zugestoßen ist.‹«
»Mhm?«
Konzentriert starrte sie auf die Straße. »Tja ...«, sagte sie.
»Was?«
»Das ist echt ein Ding, Flo. Er hat noch nie was von dir gehört.«
»Er hat noch nie was?«
»Er hatte nicht die geringste Ahnung, von wem ich rede.«
Diese entsetzliche, erdrückende Angst war plötzlich wieder da.
»O Gott«, flüsterte ich. »O Gott. Ich existiere gar nicht. In dieser Welt, oder der alten Welt, oder der ... was geht hier vor, verflucht ? Wer bin ich? Ich bin nicht... wie soll ich denn irgendetwas machen oder wieder zurückfinden oder ... ich bin niemand!« Ich fing an zu hyperventilieren.
Tashy packte mich fest am Arm. »Du existierst.«
»Aber ... nicht für Max, nicht für den beschissenen alten Karl Dean, nicht für Miss Syzlack, obwohl... na ja, nein, die kennt nur die andere Flora.«
»Ich bin mir sicher, dass es dafür eine völlig logische Erklärung gibt.«
»Sieh mich doch mal an!«
»Okay, vielleicht nicht unbedingt völlig logisch.«
Plötzlich musste ich schlucken. »O mein Gott. Und was ist mit Olly?«
»Ich hatte mich schon gefragt, wann der dir wieder in den Sinn kommen würde«, erwiderte Tashy leise. »Er ist bestimmt schon ganz krank vor Sorge.«
»Und, wo fahren wir jetzt hin?«
»Wirst schon sehen.«
»Hast du eine Alterungsmaschine erfunden?«
»Ja, ich nenne sie ›Interne Rechnungsprüfungen‹«
»Haha.«
Wir parkten in der Nähe des Stadtzentrums und gingen über den Piccadilly Circus, dann die Stufen hinunter und rüber in den wunderschönen St. James‘s Park. Es war ein herrlicher Herbstmorgen, kein Regen, aber ein leichter Nebel stieg aus dem See und kräuselte sich um die Bäume. Vom üblichen Kontingent der manischen Jogger mal abgesehen waren nicht viele Leute unterwegs.
»Komm, wir füttern die Enten«, sagte Tashy bedeutungsvoll und nahm ein bisschen Brot aus der Tasche.
»Ich bin sechzehn, nicht sechs.«
»Komm schon.«
»Du hast mir eine Falle gestellt und willst mich dem Geheimdienst ausliefern«, mutmaßte ich, plötzlich in Panik. »Du willst mich ans Militär verkaufen, nicht wahr, die dann alle möglichen Tests mit mir machen, um herauszufinden, wie sie mich als Waffe einsetzen können!«
»Ja, dazu hat man schließlich Freunde«, erwiderte Tashy.
»Wir sind in der Nähe von Whitehall! Experimente! Tu‘s nicht, Tash. Was, wenn ich von einer Kosmetikfirma gekidnappt werde?«
»Pst. Pst. Hör auf, dich so paranoid aufzuführen.«
»Ich habe jedes verdammte Recht, paranoid zu sein.«
»Muss an deinen Hormonen liegen.«
»Hormone, die sie mir mit einer gigantischen Spritze entnehmen werden! O Scheiße!«
Eine Gestalt löste sich aus den Bäumen. Es war Olly.
Drei Meter vor uns blieb er wie angewurzelt stehen.
»Heilige Scheiße«, stieß er hervor und starrte mich an wie das Kaninchen die Schlange.
»Er kennt mich!«, rief ich. Warum manche Leute mich erkannten und andere nicht, war mir absolut schleierhaft. Bis zu diesem Moment war mir gar nicht klar gewesen, was für fundamentale Existenzängste ich ausgestanden hatte, und nun waren meine Knie ganz zittrig vor Erleichterung und Dankbarkeit. »Du kennst mich!«
Tashy war bereits zu ihm rübergegangen und tätschelte seinen Arm.
»Tut mir Leid«, sagte Tashy. »Ich wusste nicht, wie ich dir das am Telefon erklären sollte.«
»Verständlich.« Olly klang heiser. »Was ... was?« Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich raff‘s nicht. Was?«
Ich starrte ihn an. Er wirkte müde und - herrje, ich gebe es nur ungern zu aber nachdem ich mich in den vergangenen zwei Tagen viel zu oft im Spiegel beguckt hatte, fand ich, dass er unheimlich alt aussah. Er sah ja aus wie mein Dad.
»Klar erinnert er sich an dich«, sagte Tashy zu mir, um das Schweigen zu durchbrechen. Olly zitterte. »Dein Telefonanschluss wurde anscheinend stillgelegt.«
»Ja,
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