Einmal Hochzeit und zurück
Anmeldeformular für die Uni noch rechtzeitig auszufüllen.«
Die beiden schauten mich an. Olly hörte auf, mit dem Zuckertütchen rumzuspielen.
»Ich dachte immer, wir hätten ein gutes Leben«, bemerkte er leise.
Auf einmal wünschte ich mir, Tashy wäre nicht da.
»Hatten wir doch auch«, sagte ich, so überzeugend ich konnte.
»Das sagst du so. Und, nebenbei bemerkt, in der Vergangenheitsform. Natürlich. Es klingt vernünftig. Aber andererseits ... andererseits hast du es so sehr gehasst, dass du die Gesetze von Raum und Zeit außer Kraft gesetzt hast, um ihm zu entkommen. Uns zu entkommen. Mir.«
Dann schmiss er unvermittelt und ziemlich heftig den Zucker auf den Tisch. Das Tütchen riss auf, und der Zucker ging wie ein winziger Hagelschauer nieder. Olly stand auf, zog den Mantel an und wollte hinausstürmen. Dann fiel ihm ein, dass er seinen Teil der Rechnung noch nicht bezahlt hatte, also blieb er stehen, nahm sein Portemonnaie heraus, warf Geld auf den Tisch und ging davon.
»Sieh mich nicht so an«, sagte Tashy. »Ich hatte keine Ahnung, dass ihr beiden derart gravierende Probleme hattet.«
»Tja, ich wusste auch nicht, dass du Probleme mit Max hast, bis ich dich neulich heulend auf der Parkbank gefunden habe.«
Wir starrten beide angestrengt in unseren Kaffee.
»Ich -«, setzten wir gleichzeitig an.
»Du zuerst«, sagte Tashy.
»Ich glaube ... ehrlich, du hast nicht mit angesehen, was bei der Hochzeit passiert, aber schön ist das nicht.«
»Warum, was passiert denn bei der Hochzeit?«
»Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen soll.«
»Was?«
»Olly macht mir einen Heiratsantrag.«
»O mein Gott! Glückwu-«
Es gibt eine Standardeinstellung bei Frauen über dreißig, und Tashy hatte noch nicht gelernt, wie man die ausschaltete.
»Ich meine, herrje, das macht die Sache etwas komplizierter.«
»Ich weiß.«
»Oho, stiehlt er mir etwa die Show? Böser, Show stehlender Freund.«
»Ganz bestimmt nicht. Er kommt ja nicht mal bis zum Ende. Meine Mum unterbricht ihn. Genau genommen werden wir unterbrochen, kurz bevor ihr die Torte anschneidet.«
»Mist, verdammter«, sagte Tashy. »Du hast es also wirklich absichtlich gemacht.«
Wir gingen zusammen zur U-Bahn-Station und wollten uns gerade trennen, nachdem Tashy noch tadelnd den Kopf geschüttelt hatte, weil ich mit dem Kinderticket fuhr, obwohl wir beide das früher auch gemacht hatten, bis wir neunzehn waren, als ich eine immer vertrauter klingende Stimme hörte.
»Flora! Flora! Wie, was, reist du jetzt schon herum ohne mich, ja? Vielleicht du wärst glücklich, wenn du tust so, als ob es mich nicht gibt, was? Du läufst weg von zu Hause, du läufst weg von deine Job, du läufst weg vor deine beste Freundin - bist du verrückt geworden? Nimmst du Drogen? Vielleicht hat dir ja bei Nachsitzen einer Drogen angedreht. Und jetzt du stehst hier am Trafalgar Square und arbeitest als Prostituierte, um dir Geld zu verdienen für Drogen? Bist du jetzt eine Crack-Hure? Schämst du dich deshalb, beste Freundin zu sehen? Wegen dem ganzen Hurerei, ja?«
Ihr Akzent schlug besonders durch, wenn sie sich aufregte. Stanzi trug ein grässliches, schulterfreies graues Top, eine weiße, über und über mit Bändchen dekorierte Armeehose und dazu kleine weiße, knöchelhohe Stiefeletten. In meinen Augen sah sie aus wie eine durchgedrehte Babyschlampe. Sie war offensichtlich stinksauer auf mich.
»Stanzi«, sagte ich und wollte Tashy mit einem Augenzwinkern zulächeln, was mir aber nicht so recht gelang. »Das ist Tashy.«
Constanzia sah sie mit jenem ausdruckslosen Blick an, den sie speziell für Erwachsene reservierte. »Sehr nett, Sie kennen zu lernen«, sagte sie beiläufig. Dann beugte sie sich zu mir rüber und flüsterte: »Ist das deine Crack-Huren-Puffmutter?«
»Pst!«
Tashy schenkte ihr ein schmallippiges Lächeln, mit dem sie normalerweise nur Verkehrspolizisten bedachte und Leute, die in Elektrofachgeschäften arbeiteten. »Hallo. Nett, dich kennen zu lernen.«
»Und woher kennen Sie Miss Scurrison?«, erkundigte sich Stanzi übertrieben höflich.
»Äh ... sie ist eine, ähm, externe Beraterin, die meine Eltern für mich engagiert haben.«
Stanzi wirkte misstrauisch, »Oh, das ist ja wunderbar!«, flötete sie, als sei sie gerade zum Tee in einem Schloss eingeladen worden.
»Und das ist Constanzia.«
Sie zupfte mich schon wieder am Ärmel. »Du hast eine Seelenklempnerin und sagst mir nichts davon?«
»Sie ist total öde«, wisperte ich
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