Einmal Hochzeit und zurück
würdest bei Tashy übernachten?«
»Erstaunlich, wie schnell manche Leute sich an ihre ausgebufftesten Teenie-Täuschungsmanöver erinnern. Aber davon mal abgesehen, nein, kann ich nicht. Tashy ist nämlich eine große, Furcht erregende erwachsene Frau, und außerdem habe ich Stubenarrest.«
»Ehrlich?« Er fing an zu lachen. »Du hast Stubenarrest. Das ist doch vollkommen bescheuert.«
»Das ist nicht komisch.«
»Ich weiß. Es ist bescheuert! Soll ich dir zum Trost ein Eis kaufen?«
»Bist du scharf auf mich, ich meine, mehr als früher?«, fragte ich. Irgendwie beschlich mich bei diesem Gedanken ein ungutes Gefühl.
»Olly«, befahl Tashy streng. »Diese Frage solltest du niemals beantworten.«
»Okay.« Olly war der Meinung, wir sollten uns aber trotzdem alle ein Eis gönnen. Eiscreme gehört für ihn zu den Grundnahrungsmitteln. Wir gingen hinter ihm her zu dem kleinen Eiswagen.
»Und ein Cadbury Flake für die junge Lady«, sagte er gerade.
Tashy sah mich an. »Ich finde, er hat das Ganze sehr gut aufgenommen.«
»Zu gut«, erwiderte ich. »Ich will doch nicht, dass er beim Anblick einer Zehnjährigen einen Steifen kriegt.«
»Ach, komm schon. Du guckst doch fern. Das Fernsehen konditioniert sie wie Hunde.«
»Hmmm«, sagte ich.
»Das mit Jamie Theakston habe ich nicht so gemeint. Du etwa?«
»Na ja, seine Neigung zu Kerkerfantasien ist etwas zu heftig für meinen unbefleckten Körper, aber ich würde keine der Boybands von vornherein ausschließen.«
»Mal im Ernst. Was ist, wenn du wieder zurückkommst?«
Ich sagte nichts.
Olly trat mit drei Cadbury-9 9-Eiscremehörnchen zu uns.
»So«, sagte er. »Wann kommst du wieder zurück?«
»Vorausgesetzt, ich will wieder zurück«, antwortete ich nachdenklich.
Und überraschte damit sogar mich selbst.
»Studienbeihilfen«, sagte Tashy ernst. Wir hatten uns ins Institute of Contemporary Art verzogen. »Pullis mit großen Löchern in den Ärmeln. Die ganze Woche mit einem Topf Chili überleben.«
»Abschlussprüfungen«, warf Olly ein.
»Die Führerscheinprüfung machen. Die übrigens viel, viel schwieriger geworden ist.«
»Der Supermarkt.«
»Die anderen idiotischen jungen Leute, mit denen man sich abgeben muss.«
»Hoffnungen, die sich immer wieder aufs Neue zerschlagen.«
»Mittelmäßige Studenten, die sich in endlosen, todlangweiligen Diskussionen mit dem Sozialismus auseinander setzen.«
»Der Kampf, in London eine bezahlbare Wohnung zu finden.«
»Mittelmäßige Studenten, die dir ein Ohr abkauen, wie ihr Wartejahr in Indien ihnen ganz neue Perspektiven auf ihr Leben eröffnet hat.«
»In der Öffentlichkeit tanzen müssen.«
»Wieder Gras rauchen.«
»Leistungskurse!!!«
»Okay, okay«, sagte ich. »Passt auf, es ist mir nur so rausgerutscht. Als Möglichkeit. Ich weiß, dass es grauenhaft wäre.«
»Grauenhaft und verrückt.«
»Es ist bloß so ...«, begann ich zögerlich. »Ich könnte ... ich könnte alles noch mal ganz neu entscheiden. Es diesmal anders machen.«
»Was war denn so verkehrt an dem, was war?«, fragte Olly und starrte angestrengt in seinen Cappuccino.
»Nichts«, entgegnete ich. »Es gibt bloß... so viele Möglichkeiten. Ich meine, was, wenn ich zur Filmhochschule ginge?«
»Flora, dein Lieblingsfilm ist Goldeneye «, bemerkte Tashy.
»Mmm. Pierce Brosnan ist so schön. O Gott - und, ehrlich gesagt, jetzt einfach viel zu alt für mich.«
»Ich glaube nicht, dass sie dich an der Filmhochschule annehmen, bloß weil du für irgendwelche Filmstars schwärmst.«
»Sollten sie aber«, empörte ich mich. »Dann würden sie endlich aufhören, Robin Williams zu besetzen.«
»Hmm.«
»Na ja, es muss ja nicht unbedingt die Filmhochschule sein. Vielleicht könnte ich auch Illustratorin werden oder Lehrerin ... okay, vielleicht - nein, definitiv - keine Lehrerin. Vielleicht könnte ich ein bisschen in der Welt herumreisen. Oh, ich könnte in einer Werbeagentur arbeiten. Fand ich immer total cool. Oder ich könnte ein Praktikum machen. Vielleicht in die Regierung gehen. So eine clevere kleine Fachidiotin werden wie die Mädels in The West Wing, dieser amerikanischen Serie über das Weiße Haus. Ich wette, es gibt Millionen und Abermillionen Dinge, die ich tun könnte. Und ich weiß auch, welche. Und ich weiß, wie man sich vernetzt. Und deshalb könnte ich mein Leben von Anfang an selbst gestalten, und zwar weil ich weiß, wie die Welt sich dreht, und nicht, weil ich bloß verzweifelt versuche, mein
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