Einmal Hochzeit und zurück
Fish-and-Chips-Idee könnte die Stimmung ein bisschen heben, aber das frostige Schweigen am Frühstückstisch war noch genauso schlimm wie vorher.
Dann fiel mir jemand auf, der am Schultor stand und auf mich wartete, und ich blieb wie angewurzelt stehen. Er bot ein Bild des Jammers und versuchte, nicht allzu sehr aufzufallen. Olly.
Mist. Mist. Ich hätte ihn gestern Abend anrufen sollen. Wie hatte ich ihn bloß so lange schmoren lassen können? Ich fühlte mich schrecklich.
»Ol«, sagte ich. »Ol.«
»Ich fass es nicht, dass du mich zwingst, das zu tun, Flora«, empörte er sich, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben.
»Kannst du nicht so tun, als seist du ein Vertretungslehrer oder so was?«, fragte ich unglücklich.
»Tja. Ich sehe bloß leider nicht aus, als sei ich einer Lumpensammlung entsprungen.«
»Hier können wir jedenfalls nicht stehen bleiben«, sagte ich. »Sonst kriege ich Ärger.«
»Mein Auto steht da drüben«, erwiderte er.
»Klar, ich steige gleich vor der Schule ins Auto eines unbekannten erwachsenen Mannes.«
»Ich wünschte wirklich, du hättest nicht ganz so viel Spaß bei der ganzen Sache«, murmelte Ol.
»Wobei? Wie ein jugendlicher Straftäter überwacht zu werden? Ich kann dir versichern, das macht mir wirklich keinen Spaß.« Ich winkte ihm, mir zu folgen, und dirigierte ihn in den heruntergekommenen kleinen Supermarkt, den es allem Anschein nach in der Nähe jeder Schule gab und der immer noch einzelne Zigaretten und Schokolade mit null Schokoladenanteil verkaufte.
Müde blickte er mich über die losen Süßigkeiten in der Auslage an.
»Ist es aus?«, fragte er steif. Ich weiß ja nicht, was ich erwartet hatte, aber Ol war ein sehr guter Anwalt. Ich schluckte heftig.
»Sag mir, was in einem Monat passiert«, verlangte er. »Bei der Hochzeit. Da muss doch was sein.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sag es mir.«
»Kann ich nicht.«
Ohnmächtig nahm er eine Hand voll Lutscher und legte sie gleich wieder zurück.
»Tja, vermutlich heißt das, es ist aus mit uns beiden.«
Die dicke alte Frau hinter der Theke, deren gesamtes Leben sich offensichtlich auf der Philosophie »Nichts fragen, nichts weitersagen« gründete, ließ sich dazu herab, den Blick von ihrem Klatschblatt zu heben.
»Ol«, sagte ich. »Olly, ich habe mich verändert.«
»Mein Gott«, stöhnte Olly und haute auf den nächstgelegenen Karton mit Chipstüten. »Ich fass es nicht, dass du mir mit diesen ollen Kamellen kommst.«
Die dicke alte Frau sah aus, als würde sie gleich die Polizei rufen.
Ich holte tief Luft. Das war‘s jetzt. Zum ersten Mal in meinem Leben würde ich mit jemandem Schluss machen, würde eine vierjährige Beziehung zerstören und eine ziemlich sichere Chance darauf, geheiratet zu werden, Kinder zu kriegen und das Leben, das ich mir ausgemalt und das ich früher einmal gewollt hatte, einfach wegschmeißen. Ich würde Olly das Herz brechen und seine und meine Träume mit einem Schlag zerschmettern. Und das alles in einer Schuluniform. Avril Lavigne war nichts gegen mich.
»Olly.«
»Wollen Sie was kaufen?«, bellte die dicke Frau.
Olly funkelte mich an.
»Ahm ... fliegende Untertassen?«, stammelte ich panisch.
Er schüttelte missbilligend den Kopf und legte eine Hand voll von dem Süßkram auf die Theke. Die Frau beäugte ihn misstrauisch und wartete mit verschränkten Armen, bis wir den Laden verlassen hatten, wobei ich mit Tränen in den Augen die Straße hoch und runter schaute, ob irgendjemand uns bemerkt hatte. Dann dachte ich, scheiß drauf. Das war nicht fair. Und ich ging zu Olly und nahm seinen Arm. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um an ihn ranzukommen.
»Es tut mir so Leid«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Mit einer Hand fasste er sich an den Kopf, und mit der anderen stieß er mich weg.
»O Gott, Flora.«
»Es ist unmöglich.«
»Du wirst doch nicht ewig so bleiben. Oder?«
»Wer weiß?«, erwiderte ich. »Ich habe kein Handbuch mitbekommen.«
»Na ja, vielleicht können wir ja weitersehen, wenn du wieder zurück bist.« Seine Stimme klang ein bisschen brüchig.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
Er hielt mich mit ausgestrecktem Arm von sich fern. »Weißt du, ich habe mir ein paar Gedanken gemacht über -«
»Ich weiß«, unterbrach ich ihn.
Er wandte sich ab. »Ich wusste es«, knurrte er. »Ich wusste es. Darum hast du es gemacht, stimmt‘s? Das hat diese ganze beschissene Geschichte ins Rollen gebracht ... Verdammt noch
Weitere Kostenlose Bücher