Einmal Hochzeit und zurück
mal!«
»Tut mir Leid.«
»Paarberatung? Nein. Mir sagen, was zum Teufel los ist? Nein, zu müde. Urlaub? Nein, ich glaube, ich nehme einfach die Vollkörperzeitreise.«
»Olly, vielleicht war ich einfach nicht so glücklich.«
»Wir waren recht glücklich.«
»Vielleicht hat mir das nicht ganz gereicht.«
Er starrte mich an. »Ich weiß, warum du wieder sechzehn geworden bist.«
»Weil ich immer sechzehn geblieben bin?«
»Weil... ja. Genau das wollte ich gerade sagen.«
Nun schwiegen wir beide und starrten betreten zu Boden.
»Ich habe sogar gedacht ...« Er hustete wie nach einer Fehlzündung. »Ich dachte, es wäre vielleicht ganz niedlich. Weißt du, wenn du 30 wärst, dann wäre ich 48. Und du würdest mich ›Opa‹ nennen und mit den Kindern spielen und überall rumdüsen, und wir könnten alles anders machen, und du müsstest nicht arbeiten, wenn du keine Lust hast. Du könntest töpfern oder zur Kunsthochschule gehen oder ...« Er verstummte und blinzelte heftig.
Ich schluckte einen Kloß im Hals herunter. »Tut mir Leid.«
»Tut es dir nicht«, sagte er und straffte die Schultern. »Ich glaube, du bist viel zu egoistisch, als dass dir irgendwas Leid täte. Du hast die ganze verdammte Welt verbogen, um deinen Willen zu bekommen, Flora. Jetzt kannst du es ganz allein genießen.«
Und damit drehte er sich um und ging, und sein Hahnentrittmantel flatterte in der plötzlich aufkommenden eisigen Brise.
9. Kapitel
Irgendwie schaffte ich es, die Geschichtsstunde zu überstehen - ohne einen Pieps zu sagen und ohne eine Miene zu verziehen. Stanzi saß neben mir und kritzelte unermüdlich in schnörkeliger Schönschrift »Frau Constanzia Danesh« auf ihr Heft und sonnte sich im bewundernden Gemurmel der anderen Mädchen, denen das nicht entgangen war.
Als es zur Pause läutete, flitzte ich so schnell wie möglich aus dem Klassenzimmer. Ich wollte unbedingt vermeiden, mit jemandem zu reden, mit dem ich nicht unbedingt reden musste. Stanzi für ihren Teil wurde von allen Seiten bestürmt und würde mich wohl kaum vermissen.
Wenn ich mich recht erinnerte, gab es auf der Rückseite des Schulgebäudes ein Treppenhaus, gleich um die Ecke vom Lehrerzimmer - für die Raucher und knutschenden Pärchen zu dicht am Feind. Aber trotzdem war die Wahrscheinlichkeit, hier auf einen Lehrer zu stoßen, wo es doch oben Gratiskekse gab, ziemlich gering. Man war dort eigentlich immer mutterseelenallein. Tashy und ich waren immer dorthin gegangen, wenn wir uns verstecken und in Ruhe Karten spielen und mal ausnahmsweise nicht schikaniert werden wollten. Endlich konnte ich mich hinsetzen und meinen Tränen freien Lauf lassen. Ich fühlte mich, als hätte ich das letzte Verbindungsseil zum Festland meines alten Lebens gekappt. Vielleicht hatte ich das ja auch. Vielleicht hatte ich mich gerade dazu verdammt, für immer hier zu bleiben. Das war‘s dann wohl. Nie wieder würde ich nach Hause fahren und eine von Ollys berühmten Fleischpasteten vorgesetzt bekommen, von denen Olly immer ganz rosige Bäckchen bekam ... Oder damals, als wir uns mit seiner ersten Firmenkreditkarte hemmungslos besoffen hatten (Olly hatte natürlich gewissenhaft alles zurückgezahlt). Oder unser Urlaub damals in Marokko ... oder wenn er mir die Sonntagszeitung mitbrachte und dann sämtliche interessanten Teile zuerst selbst las. Wie oft hatte ich ihn angesehen und gedacht, dieser lustige, sanftmütige Mensch, ja, das ist es. Das ist schon okay.
Keine Liebesgeschichte war je von Dauer, die mit »Das ist schon okay« angefangen hat.
Ich rieb mir heftig mit dem Ärmel über die noch von gestern Abend schwer getuschten Augen (was eigentlich absurd ist, denn wenn man sein Leben noch mal lebt, sollte man doch eigentlich alle schlechten Angewohnheiten über Bord werfen, wie zum Beispiel sich abends nicht ordentlich abzuschminken) und schniefte laut, ein richtiges Trompeten, und genoss es, ausnahmsweise mal ganz allein zu sein.
»Mannomann, das klingt ja wie im Elefantenhaus im Zoo.«
Justin stand am Fuß der Treppe und schaute mich halb belustigt, halb besorgt an.
Ich erschrak und würgte und versuchte verzweifelt, mich wieder zu beruhigen. Heraus kam ein grässlicher, halb erstickter und ziemlich schmerzhafter Laut. Der auch nicht unbedingt anziehend klang.
»Alles okay?«, erkundigte er sich, als er aus dem Schatten trat und vermutlich die Verwüstung in meinem Gesicht entdeckte. »Ich musste ins Lehrerzimmer.«
»Ich übe für ein
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