Einmal Hochzeit und zurück
Theaterstück«, erklärte ich rasch.
»Eine Tragödie?«
»Ja.«
»Oh. Du bist ziemlich gut.« Behutsam kam er näher. »Was ist los?«
»Mein Freund und ich haben uns getrennt«, erklärte ich und starrte zu Boden. »Vielleicht habe ich gerade mein gesamtes Leben ruiniert.«
»Oh.«
Kurz sah es aus, als sei er enttäuscht, es mit einem Mädchen-Gefühlsduselei-Problem zu tun zu haben, als hätte er insgeheim gehofft, ich würde sagen »Mein Dad ist von einem Tiger gefressen worden«, womit Jungs viel besser umgehen können, und sein hübsches Gesicht wirkte auf einmal sehr jung.
»Ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast.«
»Du kennst ihn auch nicht«, erwiderte ich und hickste noch ein bisschen und hoffte inständig, mein Gesicht möge vom Reiben an der Wimpertusche nicht so schmutzig sein wie meine Finger.
»Vielleicht doch. Auf welche Schule geht er denn?«
»Er geht nicht mehr zur Schule.«
»Warum hat er denn mit dir Schluss gemacht?«
»Hat er ja gar nicht«, sagte ich. »Ich hab mit ihm Schluss gemacht.«
Was ihn offensichtlich verwirrte. Seien wir mal ehrlich: Das unbeliebteste Mädchen der ganzen Schule würde doch wohl kaum einen Typen abservieren, der so alt war, dass er nicht mehr zur Schule ging. Hätte ich mich nicht hier versteckt und heimlich in mich hineingeheult, sondern wäre in einem Tränenmeer über den Schulhof gewatet, umgeben von einem Kreis heimlich triumphierender Mädels, wie es altehrwürdige Tradition war, dann hätte er mir wohl kein Wort geglaubt. Stattdessen tätschelte er mir etwas unbeholfen die Schulter.
»Und warum bist du dann so aufgelöst?«
»Weil man nicht einfach so vier gemeinsame Jahre wegwirft.« Ich hickste erneut. »Und ich muss mit meinen Eltern am Tisch sitzen und zu Abend essen und ganz beiläufig den Mann nicht erwähnen, von dem meine Mutter immer geglaubt hat, er sei das Beste, was mir je passiert ist, mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass er mir einen Heiratsantrag machen wollte. Himmel.« Ich heulte schon wieder.
Justin setzte sich. »Ganz ruhig«, sagte er, augenscheinlich ziemlich baff.
»Meine langjährige Beziehung ist gerade in die Brüche gegangen, und das in meinem Alter, und da sagst du mir, ich soll mich beruhigen!« Danach hielt er die Klappe.
»Mein Bruder hat sich nach dir erkundigt«, sagte er schließlich. »Übst du auf ältere Männer irgendeine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, von der wir anderen alle nichts mitkriegen?«
»Dein Bruder ist doch nicht alt!«, protestierte ich, noch ziemlich verschnupft und nicht ganz klar im Kopf.
»Kennst du ihn etwa?«
»Ahm, nein. Aber so alt hat er nicht ausgesehen.«
»Der ist steinalt! Er ist sechzehn Jahre älter als ich.«
Ich schluckte schwer. »Oh. O Gott, ehrlich? Vielleicht habe ich mich ja verguckt.«
»Tja, er hat dich jedenfalls ganz genau angeguckt. Er hat mich gefragt, ob du immer noch im Coop-Supermarkt arbeitest.«
»Hab ich gerade geschmissen«, sagte ich.
»Weißt du, du bist wirklich ganz anders, als ich gedacht habe«, sagte Justin. »Du führst wohl ein geheimes Doppelleben.«
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht hysterisch loszugackern. »Wenn du wüsstest.«
»Weißt du, wo man Drogen und so ´n Zeugs bekommt?«
»Ja. Aber das sage ich dir nicht.«
»Oh«, sagte er.
»Davon wird man stinklangweilig«, erklärte ich.
»Na ja, langweilig ist mir ja schon, ich würde es also riskieren.«
Die Glocke läutete. An dieses Geklingel konnte ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich ignorierte es instinktiv. Justin dagegen reagierte wie ein wohlerzogener Hund.
»Und dir geht es auch ganz bestimmt gut?«
»Schon viel besser, danke. Tut mir Leid. War wirklich ein harter Tag.«
»Ja, Schluss zu machen ist echt fies. Ich hab mich von Sonya Heeley getrennt, und das war ziemlich schlimm.«
»Wie lange warst du denn mit Sonya Heeley zusammen?«
»Zwei Wochen«, sagte er mit vorgeschobener Unterlippe. »Aber darauf kommt es doch wohl nicht an, oder?«
»Nein«, stimmte ich nachdenklich zu. »Nein, darauf kommt es wirklich nicht an.« Ich ging die Treppe hinauf.
»Ähm, ich mache am Samstag so was wie ´ne Party«, sagte Justin unvermittelt, wobei er verlegen zu Boden blickte. »Du kannst gerne kommen, wenn du willst.«
»Ähm, ja, okay«, sagte ich ohne nachzudenken. Wenn ich schon hier war, konnte ich wohl auch meinen Spaß haben. »Darf Stanzi mitkommen?«
»Wer?«
»Die -«
»Die bekloppte Italienerin, mit der du immer
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