Einmal Hochzeit und zurück
rumhängst.«
»Sie ist nicht bekloppt.«
»Sie sieht aber bekloppt aus.«
»Okay, sie ist bekloppt. Darf sie mitkommen oder nicht?«
»Klar«, sagte er. »Bloß... du weißt schon. Die ganzen Männer aus deinem Bekanntenkreis lässt du besser zu Hause.«
»Gar kein Problem«, erwiderte ich und blinzelte heftig.
Dad machte ein Gesicht wie eine Schlechtwetterfront. Und mir fiel es nicht mal auf, als ich nach Hause kam, so sehr war ich in mein eigenes Elend versunken. Ich lief schnurstracks an ihm vorbei.
»Flora Jane Scurrison!«
Ich drehte mich langsam um. Er war fuchsteufelswild. »Wir müssen uns unterhalten, und zwar jetzt sofort! Deine Mutter weint sich wegen dir die Augen aus.«
Mum kam an die Tür. »Flora, Liebes. Was hast du nur angestellt?«
»Nichts, Mum.«
Meine Mutter war kreidebleich. »Flora, wir wissen ja, dass du kein kleines Kind mehr bist, aber wir müssen uns wirklich mal ernsthaft über dein Benehmen unterhalten. Dad hat dich heute Morgen mit diesem Mann gesehen.«
Ach du liebe Güte. So viel zu unserem cleveren Ablenkungsmanöver mit dem Süßwarenladen.
»Ja, ja«, sagte ich. »Aber muss das ausgerechnet jetzt sein? Wir können uns gerne unterhalten, aber vielleicht lieber in ein paar Tagen? Bitte?«
»Setz dich!«, sagte mein Vater. »In dieser Familie wird jetzt endlich mal Klartext geredet!«
Und auf einmal ging ich in die Luft. Der beschissene Tag und meine Wut im Bauch waren einfach zu viel. »Das ist ja ein starkes Stück aus deinem Munde!«, schrie ich.
Stille. Das Gleichgewicht der Kräfte war spürbar aus der Balance geraten.
»Wie heißt er?«, fragte mein Vater weiter.
Meine Mutter machte ein unglückliches, niedergeschlagenes Gesicht, das ich in den kommenden sechzehn Jahren noch viel zu häufig sehen würde, und diesen Anblick konnte ich keine Sekunde länger ertragen. Schlimmer konnte es nicht werden. Mit hochrotem Kopf und völlig außer mir vor Wut und Bestürzung brach es aus mir heraus.
»Erstaunlich, dass es dir überhaupt aufgefallen ist«, spie ich ihn an. »Du bist doch nie hier. Woher willst du das überhaupt wissen? Du brüllst doch immer bloß Mum an. Oder ignorierst sie. Oder gehst aus. Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, was hier abgeht. Frag mich nicht nach seinem Namen. Wie heißt sie denn?«
Totenstille. Meine Mutter wurde noch blasser, wenn das überhaupt möglich war.
Mein Dad starrte mich wutentbrannt an. Innerhalb von zwei Millisekunden war es für ihn zu spät geworden, ein automatisches Dementi daherzustammeln, um diesen Vorwurf zu entkräften. Ich sah, dass seine Hände zitterten. Ich wollte doch nicht der Grund sein, dass meinem Vater die Hände zitterten. O Gott. Konnte ich auch mal irgendwas nicht völlig verbocken? Wir standen da, wie im Dreieck zu Salzsäulen erstarrt, und glotzten uns stumm an. Ich tat das Einzige, was mir in dieser Situation einfiel. Ich marschierte hinaus und knallte die Tür hinter mir zu. Sobald die kühle Herbstluft mir entgegenschlug, ging mir auf, wie dämlich das war. Knallrot im Gesicht steckte ich den Kopf noch mal durch die Tür.
»Ich gehe ein bisschen raus«, erklärte ich. »Ich werde nichts Dummes tun, also bitte nicht die Polizei anrufen. Ich treffe mich auch mit keinen Jungs, also keine Panik.«
Und damit wanderte ich hinaus in die Nacht.
Ein vorbeifahrendes Auto hupte mich an, als ich die Straße zu Tashys Wohnung hinunterlief. Oh, besten Dank auch, Britney, dass dank dir jedes Mädchen in Schuluniform automatisch Freiwild ist. Grimmig trat ich jeden Laubhaufen, der mir im Weg lag. Tja, da hatte ich mir wohl aus jeder nur erdenklichen Richtung selbst ans Bein gepinkelt. Was war mir noch geblieben? Ich war Single, sechzehn, hatte gerade den Mann abserviert, der bereit gewesen wäre, mich zu heiraten, ganz gleich, wie alt ich auch war, und war auf dem Weg zu meiner Freundin, die auf eine Hochzeit zusteuerte, an der ich ernsthafte Zweifel aufgeworfen hatte, während ich zusah, wie meine Eltern einen erbitterten Bürgerkrieg ausfochten. Einen Krieg, in den ich gerade eine Brandbombe geworfen hatte.
Wie um alles in der Welt wollte ich es denn jetzt noch anstellen, in einem Audrey-Hepburn-mäßigen Appartement in New York zu wohnen? So bestimmt nicht. Nie im Leben. Und ich würde nie als Muse in Paris leben.
Ich versuchte, den Mond anzufauchen. Es klang wie ein leises Knurren.
»Grrrr!«, grummelte ich. Etwas verhalten.
Bloß weil ich jetzt in einem anderen Alter war. Das würde rein gar nichts
Weitere Kostenlose Bücher