Einmal ist keinmal
dreimal wegen Vergewaltigung vor Gericht gestanden, und jedesmal ist er wieder freigesprochen worden, weil die Opfer plötzlich verschwunden waren.«
»Das wußte ich nicht.«
»Du weißt vieles nicht.«
Allmählich hatte ich die Nase voll von ihm. Ich war mir durchaus darüber im klaren, daß ich über den Flüchtlingsfang noch einiges lernen mußte. Aber auf Morellis sarkastische Überheblichkeit konnte ich dabei durchaus verzichten. »Worauf willst du hinaus?«
»Halte dich aus meinem Fall raus. Du willst als Kopfgeldjägerin Karriere machen? Schön. Nur zu. Aber such dir bitte ein anderes Versuchskaninchen. Ich habe auch schon so genug Probleme, ohne daß ich für dich das Kindermädchen spiele.«
»Es hat dich keiner gebeten, auf mich aufzupassen. Mir wäre schon noch was eingefallen, wenn du dich nicht eingemischt hättest.«
»Du meinst, wenn dieses Brett vor deinem Kopf erst mal weg wäre.«
Meine aufgeschürften Hände brannten höllisch. Mir tat die Kopfhaut weh. Meine Knie pochten. Ich wollte nur noch weg von Morelli, mich fünf bis sechs Stunden unter die heiße Dusche stellen und neue Kräfte sammeln. »Ich fahre nach Hause.«
»Gute Idee«, sagte er. »Wo steht dein Wagen?«
»Ecke Stark Street und Tyler.«
Er drückte sich flach an die Wand und lugte vorsichtig zum Tor hinaus. »Die Luft ist rein.«
Ich hatte steife Knie, und das geronnene Blut klebte an den Fetzen meiner Strumpfhose. Aber weil ich Morelli die Genugtuung, mich humpeln zu sehen, nicht gönnen wollte, marschierte ich tapfer darauf los. In Gedanken machte ich autsch, autsch, autsch, aber ich gab keinen Ton von mir. Als wir an die nächste Kreuzung kamen, merkte ich, daß er mich bis zu meinem Wagen begleiten wollte. »Ich brauche keine Eskorte«, sagte ich. »Ich komme allein zurecht.«
Er hatte die Hand unter meinen Ellenbogen gelegt und schob mich vorwärts. »Bilde dir bloß nichts ein. Mir liegt bei weitem nicht soviel an deinem Wohlergehen wie an deinem Verschwinden. Ich will mich überzeugen, daß du auch wirklich wegfährst. Ich will sehen, wie dein Auspuff dem Sonnenuntergang entgegenruckelt.«
Aus diesem Wunsch würde leider nichts werden. Mein Auspufflag irgendwo auf der Route I, zusammen mit dem Auspufftopf.
Als wir um die letzte Ecke bogen und ich meinen Wagen erblickte, hätte mich fast der Schlag getroffen. In der knappen Stunde, die er in der Stark Street gestanden hatte, war er über und über besprüht worden. Die vorherrschenden Farben waren Neonpink und Knallgrün, und auf beiden Seiten prangte dick und fett die Aufschrift »Pussi«. Ich überprüfte das Kennzeichen und sah nach, ob auf dem Rücksitz eine Schachtel Fig Newtons stand. Doch, es war tatsächlich mein Wagen.
Noch eine Blamage an einem Tag, der mit Blamagen ohnehin schon reich gesegnet war. Ob es mir etwas ausmachte? Nicht viel. Ich war wie betäubt. Allmählich wurde ich gegen Blamagen immun. Ich suchte nach meinen Schlüsseln und schloß die Wagentür auf.
Morelli wippte auf den Fersen, die Hände in den Taschen, den Anflug eines Grinsens auf den Lippen. »Die meisten Leute begnügen sich mit einem Zierstreifen und ihren Initialen auf dem Nummernschild.«
»Du kannst mich mal!«
Morelli warf den Kopf in den Nacken und lachte. Sein Lachen klang tief und volltönend, und es war so ansteckend, daß ich bestimmt mitgelacht hätte, wenn ich nicht so geknickt gewesen wäre. So aber riß ich bloß die Wagentür auf und rutschte hinter das Lenkrad. Ich drehte den Zündschlüssel herum, verpaßte dem Armaturenbrett einen wuchtigen Schlag mit der Faust und fuhr mit knatterndem Auspuff davon. Morelli ließ ich in einer Lärm- und Abgaswolke stehen, die ausgereicht hätte, seine Eingeweide zu verflüssigen.
*
Ich wohnte am äußersten östlichen Stadtrand von Trenton in einem häßlichen, dunkelroten Backsteinkasten, der noch aus der Zeit vor der Erfindung von Klimaanlagen und Isolierfenstern stammte. Insgesamt gab es achtzehn Wohnungen in dem Gebäude, die sich gleichmäßig über drei Stockwerke verteilten und die man nicht unbedingt als Traum eines jeden Mieters bezeichnen konnte. Wir hatten weder ein Schwimmbad noch einen Tennisplatz, und auf den Fahrstuhl war kein Verlaß. Mein Badezimmer hatte senfgelbe Einbauten und altmodische Zierfliesen, die wahrscheinlich zur Zeit der Partridge Family der letzte Schrei gewesen waren. Die Küche war auch nicht wesentlich jünger.
Aber die Wohnung hatte auch ihre Vorteile. Die Wände waren so solide
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