Einmal ist keinmal
strahlenden Sonnenschein hinaus. Meine Strumpfhose war zerrissen, meine Knie bluteten. Nach Atem ringend, hielt ich mich an der Türklinke fest, als sich plötzlich eine Hand um meinen Oberarm legte. Ich zuckte zusammen und schrie. Es war Joe Morelli.
»Himmelherrgott«, sagte er und zog mich mit sich. »Steh nicht so dumm rum. Beweg dich!«
Ich war mir nicht sicher, ob Ramirez soviel an mir lag, daß er mich verfolgen würde, aber weil es mir auf jeden Fall ratsamer erschien, es gar nicht erst darauf ankommen zu lassen, stöckelte ich mit hochgerafftem Rock atemlos hinter Morelli her. Auf der Kinoleinwand hätte Kathleen Turner in diesem Aufzug bestimmt toll ausgesehen. Bei mir hatte es einen weniger umwerfenden Effekt. Mir lief die Nase, und ich glaube fast, ich sabberte. Ich ächzte vor Schmerzen und schniefte vor Angst, gab unappetitliche Tierlaute von mir und versprach dem lieben Gott zwischendurch das Blaue vom Himmel.
Wir bogen um die Ecke, liefen durch eine schmale Gasse bis zum nächsten Block und dann eine einspurige Straße entlang, die von Hinterhöfen gesäumt war. Rechts und links standen baufällige Garagen und überquellende, verbeulte Mülltonnen.
In der Ferne schrillten Sirenen. Bestimmt waren es ein paar Streifenwagen und eine Ambulanz, wegen der Schießerei. Im nachhinein war mir klar, daß es besser gewesen wäre, in der Nähe des Boxstudios zu bleiben. Dann hätten die Polizisten mir helfen können, Morelli zu verfolgen. Das mußte ich mir unbedingt merken. Man konnte schließlich nie wissen, wann man das nächste Mal zusammengeschlagen und fast vergewaltigt werden würde.
Morelli blieb abrupt stehen und zog mich in eine leere Garage, deren Tor einen Spaltbreit offenstand. Der Boden bestand aus Lehm, die Luft war stickig und roch nach Metall. Plötzlich wurde ich mir der Ironie der Situation bewußt. Nach all den Jahren war ich wieder allein mit Morelli in einer Garage. Sein Blick war stechend, und er hatte einen harten Zug um den Mund. Er packte mich bei der Jacke und knallte mich mit solcher Wucht rückwärts gegen die rohe Holzwand, daß der Staub von den Dachbalken rieselte und mir die Zähne klapperten.
In seiner Stimme lag kaum unterdrückte Wut. »Wie kommst du eigentlich dazu, einfach so in das Boxstudio zu spazieren?«
Zur Bekräftigung seiner Frage rammte er mich noch einmal gegen die Wand, so daß noch mehr Dreck auf uns herunterregnete.
»Los, antworte!« schnauzte er.
Es stimmte ja, ich hatte eine Dummheit gemacht. Aber daß ich mich jetzt auch noch von Morelli schikanieren lassen mußte, war fast genauso erniedrigend, wie von ihm gerettet zu werden. »Ich habe dich gesucht.«
»Herzlichen Glückwunsch, du hast mich gefunden. Außerdem hast du mich aus der Deckung gelockt, und das gefällt mir gar nicht.«
»Dann warst du also der Schatten am Fenster gegenüber, der das Studio beobachtet hat.«
Morelli schwieg. In der dunklen Garage hatten sich seine Pupillen so stark geweitet, daß seine Augen schwarz aussahen.
Im Geiste knackte ich mit den Fingerknöcheln. »Nun denn. Du weißt ja sicher, was jetzt kommt.«
»Ich kann es kaum erwarten.«
Ich kramte den Revolver aus der Tasche und stieß Morelli den Lauf zwischen die Rippen. »Du bist festgenommen.«
Er riß die Augen auf. »Du hast eine Waffe? Wieso bist du damit nicht auf Ramirez losgegangen? Du hast ihn mit der Handtasche geschlagen wie ein richtiges Mädchen. Warum hast du die verdammte Knarre nicht benutzt?«
Ich wurde rot. Was sollte ich darauf antworten? Die Wahrheit war nicht nur peinlich, sie war schädlich. Wenn ich zugab, mehr Angst vor meiner Waffe als vor Ramirez gehabt zu haben, würde das meinem guten Ruf als Kautionsdetektivin nicht gerade nützen.
Aber es dauerte sowieso nicht lange, bis Morelli sich alles allein zusammengereimt hatte. Er schnaubte verächtlich, schob den Revolver weg und nahm ihn mir ab. »Wenn du nicht bereit bist, eine Waffe zu benutzen, solltest du erst gar keine mit dir rumschleppen. Hast du eigentlich einen Waffenschein, der dir das versteckte Mitführen einer Waffe erlaubt?«
»Ja.« Und ich hielt es nicht einmal für völlig ausgeschlossen, daß er echt war.
»Wo hast du den Schein her?«
»Ranger hat ihn mir besorgt.«
»Ranger Mafioso? Der hat ihn bestimmt zu Hause im Keller selbst gedruckt.« Er schüttelte die Patronen aus der Waffe und gab sie mir zurück. »Such dir einen neuen Job. Und laß die Finger von Ramirez. Der Kerl ist gemeingefährlich. Er hat schon
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