Einmal ist keinmal
Bulle?«
»Ich arbeite für Vincent Plum. Er hat Morelli die Kaution gestellt.«
»Besonders gut habe ich Carmen Sanchez nicht gekannt«, sagte er. »Sie ist mir ein paarmal über den Weg gelaufen. Wir haben uns gegrüßt. Sie machte einen ziemlich netten Eindruck. Ich kam gerade die Treppe rauf, als ich den Schuß hörte.«
»Mrs. Santiago aus dem ersten Stock sagt, Sie hätten den Täter überwältigt.«
»Stimmt. Ich wußte nicht, daß er ein Bulle war. Ich wußte bloß, daß er jemanden erschossen hatte und noch bewaffnet war. Es kamen immer mehr Leute in den Hausflur, und er hat versucht, sie sich vom Leib zu halten. Die Situation sah nicht besonders gut aus, und da habe ich ihm eben mit einem Sechserpack eins übergebraten. Da ist er k. o. gegangen.«
Morelli war also ein Sechserpack Bier zum Verhängnis geworden. Ich hätte beinahe laut gelacht. Im Polizeibericht hatte es geheißen, Morelli sei mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen worden. Daß es ein Sechserpack gewesen war, stand nicht darin.
»Das war sehr mutig.«
Er grinste. »Ich war nicht mutig – ich war total blau.«
»Wissen Sie, was aus Carmen geworden ist?«
»Keine Ahnung. Sie wird sich wohl bei den Handgreiflichkeiten verdrückt haben.«
»Und Sie haben sie seitdem nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
»Und wie steht es mit dem fehlenden Zeugen? Mrs. Santiago hat etwas von einem Mann mit einer platten Nase gesagt…«
»Ich kann mich an ihn erinnern, aber das ist auch schon alles.«
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«
»Glaub’ schon.«
»Meinen Sie, hier im Haus könnte es noch jemanden geben, der etwas über den verschwundenen Mann weiß?«
»Edleman war der einzige, der ihn auch noch deutlich gesehen hat.«
»Wohnt Edleman hier?«
»Edleman hat hier gewohnt. Er ist letzte Woche überfahren worden. Genau vor dem Haus. Es war Fahrerflucht.«
Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. »Halten Sie es für möglich, daß Edlemans Tod etwas mit dem Kulesza-Mord zu tun hat?«
»Kann ich nicht sagen.«
Ich bedankte mich bei Kuzack für seine Hilfe und ging langsam die Treppe wieder hinunter, angenehm benommen von einem passiven Haschischrausch.
Es war kurz vor zwölf und brütend heiß. Leider hatte ich mir am Morgen ein Kostüm und hochhackige Schuhe angezogen, um einen achtbaren, vertraueneinflößenden Eindruck zu machen. Ich hatte die Wagenfenster offengelassen, als ich vor Carmens Haus parkte, in der stillen Hoffnung, daß jemand den Nova stehlen würde. Aber so viel Glück war mir nicht beschieden, also quetschte ich mich hinter das Lenkrad und aß die letzten Fig Newtons, die ich meiner Mutter aus der Speisekammer geklaut hatte. Viel hatte ich von Carmens Nachbarn nicht erfahren, aber wenigstens war ich heute noch nicht angegriffen worden oder eine Treppe hinuntergefallen.
Morellis Wohnung stand als nächstes auf meiner Liste.
Ich hatte Ranger angerufen und ihn um Hilfe gebeten, weil ich mich nicht traute, auf eigene Faust einzubrechen. Als ich auf Morellis Parkplatz einbog, wartete Ranger schon. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Ärmelloses schwarzes T-Shirt, schwarze Armeehosen. Er lehnte an einem schwarz schimmernden Mercedes, der so viele Antennen hatte, daß man damit bis zum Mars gekommen wäre. Ich ließ zwischen uns ein paar Lücken Platz, damit meine Abgase seinen Lack nicht beschmutzten.
»Dein Wagen?« fragte ich. Wem sollte dieser Schlitten wohl sonst gehören?
»Das Leben hat es gut mit mir gemeint.« Sein Blick wanderte zu meinem Nova hinüber. »Schöne Farben«, sagte er. »Warst du in der Stark Street?«
»Ja, und das Radio haben sie mir auch geklaut.«
»Ha, ha, ha. Nett von dir, der notleidenden Bevölkerung auch etwas zukommen zu lassen.«
»Ich würde ihr am liebsten meinen Wagen spenden, aber ihn will keiner haben.«
»Nur weil die Kerle spinnen, müssen sie noch lange nicht wahnsinnig sein.« Er deutete mit dem Kopf auf Morellis Wohnung. »Scheint keiner zu Hause zu sein, also werden wir die Besichtigung wohl ohne Führer machen müssen.«
»Ist das ungesetzlich?«
»Ach was. Wir sind das Gesetz, Baby. Kopfgeldjäger dürfen alles. Wir brauchen noch nicht mal einen Durchsuchungsbefehl.« Er schnallte sich einen schwarzen Waffengurt um die Hüften und schob seine 9-Millimeter-Glock hinein. Nachdem er sich ein Paar Handschellen an den Gurt gehängt hatte, schlüpfte er in dieselbe schwarze Jacke, die er schon im Cafe getragen hatte. »Ich glaube zwar nicht, daß Morelli
Weitere Kostenlose Bücher