Einmal ist keinmal
Klimaanlage, Radio und Kassettenrecorder von Alpine, Telefon, Polizei- und CB-Funk. Ein Spitzenwagen. Und er gehörte Morelli. Es kam mir ungerecht vor, daß ein Verbrecher so einen tollen Wagen besaß, während ich eine uralte Schrottmühle fahren mußte.
Da ich den Wagen nun schon aufgeschlossen hatte, konnte ich ihn auch genausogut mal kurz anlassen. Es ist nicht gut für ein Auto, wenn es bloß herumsteht und nicht gefahren wird. Das weiß jeder. Ich holte tief Luft und setzte mich vorsichtig hinters Steuer. Ich stellte mir den Sitz und den Rückspiegel ein. Ich legte die Hände aufs Lenkrad. Ein herrliches Gefühl. Wenn ich so einen Wagen hätte, würde ich Morelli garantiert fangen. Ich war clever. Ich war zäh. Ich brauchte bloß einen anständigen Wagen. Ich überlegte, ob ich ein Stück fahren sollte. Sicher genügte es nicht, nur den Motor laufen zu lassen. Der Jeep konnte bestimmt ein bißchen Auslauf vertragen. Oder vielleicht sollte ich ihn gleich ein, zwei Tage richtig einfahren.
Wem wollte ich eigentlich etwas vormachen? Ich geb’s ja zu, ich spielte mit dem Gedanken, Morellis Wagen zu stehlen. Nein, nicht stehlen, verbesserte ich mich. Beschlagnahmen. Schließlich war ich Kopfgeldjägerin, und als Kopfgeldjägerin durfte ich im Notfall wahrscheinlich jedes Fahrzeug beschlagnahmen. Ich warf einen Blick auf den Nova. Sah mir ganz nach einem Notfall aus.
Wenn ich mir Morellis Wagen unter den Nagel riß, hatte das noch einen weiteren Vorteil. Ich war mir ziemlich sicher, daß ihm das ganz und gar nicht gefallen würde. Vielleicht würde er eine Dummheit machen und ihn sich zurückholen wollen.
Ich ließ den Motor an und versuchte, nicht weiter darauf zu achten, daß mein Herz doppelt so schnell schlug wie sonst. Das Erfolgsgeheimnis eines guten Kopfgeldjägers liegt darin, daß er eine günstige Gelegenheit erkennt und beim Schopf packt, sagte ich mir. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Kreativität, das waren die wichtigsten Eigenschaften. Und wenn man außerdem ein bißchen Mut hatte, schadete es auch nicht.
Allmählich beruhigte ich mich wieder. Das war gut so, sonst hätte ich womöglich meinen ersten gestohlenen Wagen zu Schrott gefahren. Ein unerledigter Punkt stand noch auf meiner Liste. Ich wollte dem Step In einen Besuch abstatten, Carmen Sanchez’ letztem bekannten Arbeitsplatz. Die Bar lag am unteren Ende der Stark Street, zwei Straßen vom Boxstudio entfernt. Ich überlegte, ob ich erst nach Hause fahren sollte, um mir etwas Unauffälligeres anzuziehen, aber zum Schluß blieb ich doch bei meinem Kostüm. Ich konnte tragen, was ich wollte, ich würde auf alle Fälle auffallen.
Nicht weit von der Bar entfernt fand ich eine Parklücke. Ich schloß den Wagen ab und ging die paar Schritte zu Fuß. Leider mußte ich feststellen, daß die Bar geschlossen war. An der Tür hing ein Vorhängeschloß. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Kein Schild gab einen Grund für die Schließung an. Ich war nicht allzu enttäuscht. Nach dem Vorfall im Boxstudio war ich nicht gerade versessen daraufgewesen, eine weitere Bastion der Männlichkeit in der Stark Street zu erstürmen. Ich ging zum Cherokee zurück und fuhr ein paarmal die Straße rauf und runter, um eine Spur von Morelli zu entdecken. Nach dem fünften Mal wurde es mir langsam kühl, und weil ich auch nicht mehr viel Benzin hatte, gab ich die Suche für den Tag auf. Ich hoffte, vielleicht im Handschuhfach eine Kreditkarte zu finden, hatte aber kein Glück. Toll. Kein Sprit. Keine Kohle. Kein Plastikgeld.
Wenn ich weiter hinter Morelli herjagen wollte, brauchte ich Geld. Ich konnte nicht von der Hand in den Mund leben. Vinnie war die logische Antwort auf mein Problem, er würde mir einen kleinen Vorschuß geben müssen. An einer Ampel sprang mir Morellis Autotelefon ins Auge. Ich schaltete es ein, und seine Nummer blinkte auf. Wie praktisch. Jetzt war sowieso schon alles egal. Warum sollte ich es bei dem Diebstahl von Morellis Wagen bewenden lassen? Genausogut konnte ich ihm auch noch eine gepfefferte Telefonrechnung servieren.
Ich rief Vinnies Büro an, und Connie meldete sich.
»Ist Vinnie da?« fragte ich.
»Ja«, sagte sie. »Den ganzen Nachmittag.«
»Ich komme in zehn Minuten vorbei. Ich muß mit ihm sprechen.«
»Hast du Morelli geschnappt?«
»Nein, aber ich habe seinen Wagen beschlagnahmt.«
»Hat er ein Schiebedach?«
Ich sah zur Decke. »Kein Schiebedach.«
»Mist«, sagte sie.
Ich legte auf und überlegte mir,
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