Einmal ist keinmal
Badezimmer und überprüfte im Spiegel, ob meine Augenbrauen schon wieder nachgewachsen waren.
Um zwölf Uhr zog ich schließlich den Vorhang wieder auf und riskierte einen Blick auf den Parkplatz. Der Cherokee war entfernt worden, und von den Polizisten waren nur noch zwei Mann übriggeblieben. Es hatte den Anschein, als ob sie für die Handvoll Autos, die von umherfliegenden Trümmern getroffen worden waren, Schadensprotokolle schrieben.
Der Fernsehmorgen hatte mich so weit abgestumpft, daß ich mich wieder einsatzfähig fühlte, also duschte ich, zog mir etwas an und hütete mich davor, mich in Gedanken an Tod und Bomben zu verlieren.
Irgendwie mußte ich aufs Polizeirevier, aber ich hatte keinen Wagen mehr. Ich hatte noch ein paar Dollars in der Tasche, aber keinen müden Cent auf dem Bankkonto. Meine Kreditkarten waren eingezogen worden. Ich mußte unbedingt einen Kautionsflüchtling schnappen.
Ich rief Connie an und erzählte ihr, was mit Morty Beyers passiert war.
»Jetzt sieht Vinnie aber ganz schön alt aus«, sagte Connie. »Erst wird Ranger angeschossen, und nun ist auch noch Beyers ausgefallen. Die beiden waren unsere besten Agenten.«
»Tja. Traurige Sache. Dann hat Vinnie also nur noch mich.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es einen Augenblick still. »Ich will nicht hoffen, daß du Morty aus dem Weg geräumt hast.«
»Morty hat sich eher selbst aus dem Weg geräumt. Hast du vielleicht einen leichten Fall für mich? Ich muß unbedingt schnell zu Geld kommen.«
»Ich könnte dir einen Exhibitionisten anbieten, für den wir zweitausend Dollar Kaution gestellt haben. Den haben sie schon aus drei Altersheimen rausgeschmissen. Im Moment hat er irgendwo eine Wohnung.« Sie Blätterte in ihren Unterlagen. »Da hätten wir ihn«, sagte sie. »Das ist ja ein Ding. Er wohnt bei dir im Haus.«
»Wie heißt er?«
»William Earling. Apartment 3E.«
Ich schnappte mir meine Tasche, schloß hinter mir ab und stieg die Treppe hoch. Als ich die richtige Apartmentnummer gefunden hatte, klopfte ich an Earlings Tür. Ein Mann machte mir auf. Sofort kam mir der Verdacht, daß es sich bei ihm um den Gesuchten handelte. Er war nämlich alt und nackt. »Mr. Earling?«
»Ja, das bin ich. Bin ich nicht gut bestückt, Häschen? Findest du nicht auch, daß ich ein beeindruckendes Gemächte habe?«
Obwohl ich mir befahl, nicht hinzusehen, konnte ich nichts dagegen machen, daß mein Blick wie von selbst ein Stück südwärts wanderte. Sein Gemächte war alles andere als beeindruckend, es war verschrumpelt. »Doch, ich bin überwältigt«, sagte ich und gab ihm meine Karte. »Ich komme vom Kautionsbüro Vincent Plum. Sie sind nicht zur Ihrer Verhandlung erschienen, Mr. Earling. Ich muß Sie mitnehmen, damit ein neuer Termin festgesetzt werden kann.«
»Diese verdammten Verhandlungen sind doch die reinste Zeitverschwendung«, sagte Earling. »Ich bin sechsundsiebzig Jahre alt. Meinen Sie etwa, die stecken einen sechsundsiebzig Jahre alten Mann in den Knast, nur weil er seinen Schwengel gezeigt hat?«
Das hoffte ich sehr. Der Anblick des nackten Earling reichte aus, mich in den Zölibat zu treiben. »Ich muß Sie mitnehmen. Könnten Sie sich vielleicht etwas anziehen?«
»Ich ziehe mich nie an. Der liebe Gott hat mich nackt in die Welt gesetzt, und nackt will ich sie auch wieder verlassen.«
»Das soll mir recht sein. Aber bis es soweit ist, könnten Sie sich doch etwas überwerfen.«
»Wenn ich mitkomme, dann nur nackt.«
Ich holte die Handschellen aus der Tasche und legte sie ihm an.
»Polizeibrutalität, Polizeibrutalität!« schrie er.
»Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen«, sagte ich. »Ich bin nicht von der Polizei.«
»Was sind Sie denn dann?«
»Kopfgeldjägerin.«
»Kopfgeldjägerbrutalität. Kopfgeldjägerbrutalität.«
Ich fand einen langen Regenmantel an seiner Garderobe, wickelte ihn darin ein und knöpfte ihn zu.
»Ich komme nicht mit«, sagte er und blieb stocksteif stehen, die gefesselten Hände unter dem Regenmantel. »Sie können mich nicht zwingen.«
»Hör zu, Opa«, sagte ich. »Entweder du kommst freiwillig mit, oder ich sprüh’ dich mit meinem K.-o.-Gas ein und schleife dich an den Füßen hinter mir her.«
Nicht zu fassen, daß ich in diesem Ton mit einem schnecken-schwänzigen Senioren redete. Ich war über mich selbst entsetzt, aber darauf konnte ich im Moment keine Rücksicht nehmen. Schließlich sprangen bei diesem Job zweihundert Dollar für mich raus.
»Vergessen
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