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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Tischtuch, ja sogar Angora-Fußkettchen. Die übrigen Frauen machten Zehenschoner.
    Am 10. Mai wurde ich zum Besorgen der Blumen auf die Bettlägerigen-Station geschickt. Ich ging mit meiner Partnerin, einer zierlichen kleinen Frau, die altmodische Mieder trug und ihren Mann „Väterchen“ nannte, um 9 Uhr hinüber. Wir meldeten uns bei der Oberschwester, die sehr herzlich war, uns zu unserer Aufstehzeit beglückwünschte, aber doch nicht von ihrer alten Gewohnheit lassen konnte und uns warnen mußte, ja nicht zu reden, als wir schon unsere leeren Karren ergriffen, überall durch die Zimmer zogen und die Blumenvasen einsammelten.
    Es gab mir einen Schock, als ich sah, daß Eileen sehr dünn und bleich und abwesend war. Sie hätte wieder einen Blutsturz gehabt, erzählte sie, und immerzu Temperatur. Ich erzählte ihr von Delores und Kimi, aber das interessierte sie nicht sehr. Ich fragte nach Minna, aber selbst da blieb sie apathisch. Nur als sie mir erzählte, daß sie in den neuen Lagerjungen verschossen wäre, leuchtete ein schwacher Funke ihres früheren Feuers auf.
    Minna lag in einem der Einzelzimmer und war in höchster Aufregung, weil eine ihrer Nieren angegriffen war und die Ärzte daran dachten, sie zu entfernen. „Das ist eine schröcklich schwere Operation,“ erzählte sie mir und blinzelte dabei mit ihren blassen Augen, „und der Dokta sacht, er wüßte nicht, wie ein kleines, schwaches Wesen wie ich das durchstehn soll, aber ich hab ihm bloß gesacht, daß wir kleinen Geista manchmal kräftiga sind als ihr großen Leute.“ Ich merkte, daß mich Minna und ihre ständigen Anspielungen auf ihre Winzigkeit und meine gigantische Größe jetzt, wo ich auf war, nicht mehr ärgerten. Ich fragte sie nach dem süßen Dickerchen. „Och, der Ahrme macht sich solche Sorge um mich,“ sagte sie. „Als ich ihm das von meinen Nieren gesacht hab, hat er geweint.“
    In der Bettlägerigen-Station waren so viele neue und fremde Gesichter, daß mir schien, in der Stadt müsse eine regelrechte Tuberkulose-Epidemie ausgebrochen sein. Marie war zu meiner Überraschung auf und sehr vergnügt; Eleanor lag auf der Liegehalle, war musterhaft und strickte; Evalee war drei Stunden auf und sollte am nächsten Tag in die Ambulanten-Station kommen. Margaretta, das schöne Negermädchen, lag im Sterben.
    Sie lag im Bestrahlungszimmer, und zu meiner Verwunderung fragte mich die Oberschwester, ob ich hineingehen und sie besuchen würde. Sie versuchte mich etwas darauf vorzubereiten und erzählte mir, daß Margaretta sehr schwer krank sei, aber mit keinem Wort hätte sie den Schock dieses Anblicks zu mildern vermocht. Margarettas Kopf wirkte eingeschrumpft und runzelig wie die verdorrten Köpfe indischer Mumien, ihre Hände lagen schlaff auf der Bettdecke wie scheußliche braune kleine Klauen. Ihre Stimme hatte sie ganz verloren. Nur an ihren großen, schönen Augen erkannte man das Mädchen, das einmal gelächelt und Kimi und mir zugewinkt hatte.
    Ich redete ihr zu, sie sollte machen, daß sie aufstehen dürfe, damit sie auch die Blumen besorgen könne; ich erzählte ihr kurz von Miß Zehenschoner und ihrer Meinung von nützlicher Beschäftigung, von Kimi und der Oberschwester; aber meine Stimme klang viel zu laut und meine Fröhlichkeit leer und erzwungen. Margaretta winkte mit einer der kleinen braunen Klauen, als ich sie verließ, und ich ging in den Abstellraum, wo meine heißen Tränen auf die Blumen tropften.
    Mein erster Versuch mit der Waschwasserverteilung spielte sich fünf Tage später ab und fing ziemlich unglücklich an. Beunruhigt von Miß Gillespies Warnungsschreien, daß ich um 5 Uhr 30 und nicht eine Sekunde später im Speisesaal zu sein hätte, stürzte ich mich im kühlen Grau der Dämmerung über die Rasenflächen und kam atemlos und startbereit um 4 Uhr 20 in den Speisesaal. Die Nachtschwester, froh, in dieser öden Stunde Gesellschaft zu haben, stellte uns Kaffee und Fruchtsaft hin, und wir unterhielten uns, bis sich meine Partnerin, ein liebes kleines Eskimomädchen namens Esther, um 5 Uhr 30 zu uns gesellte.
    Da mir mein erster Morgen im Fichtenhain noch lebhaft im Gedächtnis war, versuchte ich die Patienten behutsam zu wecken, und wir beide liefen viele Male hin und her und brachten jedem eine volle Schüssel mit heißem Wasser. Eileen schien wohler und vergnügter und erzählte mir, daß sie mit dem Lagerjungen verlobt sei und heiraten würde, sobald sie gesund wäre.
    Minna rieb sich ihre dicken weißen

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