Einmal scheint die Sonne wieder
schwarzgefärbtes Haar, eine Brille, breite Hüften und ihre eigenen Vorschriften. Eine dieser Vorschriften war, daß die weiblichen Patienten nicht die Toilette im Erdgeschoß benutzen durften, weil „die Männer sie hineingehen sehen und wissen , weswegen Sie hineingehen“. Eine andere, daß Männerhosen nicht von Frauen gebügelt werden durften, mit der Begründung, daß eine so enge Berührung mit männlichen Kleidungsstücken unschicklich sei.
An meinem ersten Morgen wurde ich von Miß Gillespie angewiesen, mich an einen Tisch zu setzen und Verbände aufzurollen. Sie sagte: „Gehen Sie da hinüber! Nein, da! Nein, da! Nicht sprechen! Ruhe, brauch Ruhe . Arbeiten, arbeiten, reden ist überflüssig! Reden ist schlecht für die Lungen. Ruhe, brauch Ruhe!“ Ich setzte mich neben Kimi, die mir sagte: „Hören Sie nicht auf die, Betty.“ Da Miß Gillespie direkt hinter Kimi stand, zischte ich: „Still, sie hört Sie.“ Kimi antwortete, sehr viel lauter: „O nein, die hört nicht, die ist stocktaub.“
Drei Tage lang rollte ich unter der hysterischen Aufsicht von Miß Gillespie Binden auf und fand das gar nicht schlecht, weil es eine nützliche Arbeit und die Beschäftigungstherapie-Werkstatt groß und hell war, grüne Wände und Möbel und aus den Südfenstern einen schönen Blick in den Kirschgarten hatte.
Am vierten Morgen, als Sheila und ich uns um 8 Uhr 30 zur Arbeit meldeten, schrie Miß Gillespie „Tippen! Tippen! Brauch jemand zum Tippen! Zeitschrift muß raus! Ruhe, brauch jemand zum Tippen, brauch Ruhe!“ Kimi, Sheila und ich konnten alle drei Maschine schreiben, und so wurden wir zu Hilfsredakteuren an der Sanatoriumszeitschrift ernannt, was nur bedeutete, daß wir von 8 Uhr 30 bis 10 Uhr 30 alles abschrieben, was Miß Gillespie uns gab.
Da die Nachrichten aus den Stationen oft ein „es kommt mich so vor“ und „haste“ und „denken se wohl“ enthielten, versuchten wir zuerst einige redaktionelle Überarbeitungen. Miß Gillespie verglich die Abschriften mit dem Original und ging in die Luft. „Kommt ihr aus dem Herzen,“ schrie sie und schlug mit ihrem Lineal auf das Manuskript. „Direkt aus dem Herzen, verändern Sie kein Wort! Tippen! Tippen! Alle reden ja nicht so wie Sie.“ – „Ne, tut er nich,“ sagte Kimi freundlich und lächelte Miß Gillespie dabei an, die nicht ein Wort verstehen konnte, „aber ich hab’s nur gemacht, so gut ich konnte. Sah die Fehler und verbesserte ihnen.“ Miß Gillespie sagte zu Sheila und mir: „Warum nehmen Sie sich nicht ein Beispiel an Miß Sambo. Die ist ruhig. Die widerspricht nicht. Jetzt alle an die Arbeit, Ruhe! Ruhe!“
Während wir tippten, fertigten die anderen Frauen Binden an, säumten Decken, sterilisierten und puderten Gummihandschuhe, nähten Sanatoriumskleidung und Kleider für die Kinder der Kinderstation.
Von 10 Uhr 30 bis 11 Uhr 30 hatten wir frei, doch erwartete man von uns, daß wir uns nützlich beschäftigten, damit wir in der großen Welt, in die wir bald hinausgeschickt werden sollten, unseren Platz fänden. Zu den Erwerbszweigen, die Miß Gillespie anbot, gehörte die Herstellung kleiner gehäkelter Körbchen zum Aufhängen am Ausguß und zur Aufbewahrung von Hochzeits- und Verlobungsringen, wenn die Trägerinnen das Geschirr spülten, Vorhangraffer aus Wäscheklammern, Topflappen in Form von Hähnen, handgearbeitete Papierteller, gestickte Frisierjacken, Amorpüppchen als Türklötze, gehäkelte Nadelbücher, Lampenschirme aus Kreppapier, Behälter für Papierhandtücher, hergestellt aus alten Konfektschachteln, mit Vergißmeinnicht geziert und mit der Aufschrift: „Dies sieht aus wie ein Handtuch. Es fühlt sich an wie ein Handtuch, es ist ein Handtuch. Benutze es“ (unglücklicherweise machte Miß Gillespie das Loch in den Schachteln, aus dem das Handtuch herausgezogen werden sollte, immer viel zu klein, so daß „Dies sieht aus wie ein knitteriges Stück Papier“ eine richtigere Bezeichnung für ihre Behälter gewesen wäre).
Ich fragte Miß Gillespie, ob ich in meiner freien Zeit meine Stenographiekenntnisse auffrischen dürfte, aber sie hatte offenbar nie von Stenographie gehört, und weil sie wohl dachte, es wäre ein Spiel, so wie Fangball, schrie sie: „Nein! Nein! Zu laut!“, und ich arbeitete also weiter an meinem Kragen. Sheila nähte, ganz gegen Miß Gillespies Willen, einen Mantel, Kimi und ihre Mutter arbeiteten viele reizende Dinge, eine Bluse, zwei neue Röcke, ein großes gesticktes
Weitere Kostenlose Bücher