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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Kinder dürften nicht in meine Nähe kommen; und wenn ich ganz heißes Wasser tränke, würde mir das gegen meinen Husten helfen.
    Während sie sprach, lagen ihre Augen auf dem randvollen Aschenbecher und der Kaffeetasse mit der darin schwimmenden Zigarette. Schließlich sagte sie: „Sie rauchen doch wohl nicht?“ und ihre Augen flammten vor Entrüstung. Ich antwortete: „Bis vor ein paar Tagen habe ich unentwegt geraucht, aber der Arzt hat gesagt, ich soll es lassen, und so habe ich aufgehört.“ Das klang nach eiserner Willenskraft. In Wirklichkeit war es bei der Husterei nicht allzu schwer gewesen.
    Als sie ihre Sachen zusammensuchte und in ihren Beutel tat, fragte ich, warum die Schwestern in der Klinik so unangenehm seien und niemals jemand ein freundliches Gesicht mache. „Können die alle Leute mit Tb nicht ausstehen, oder bloß mich nicht?“ fragte ich. Die nette kleine Schwester sah mich mit hartem Blick an, preßte ihre Lippen zusammen und rezitierte: „Vollständige Unpersönlichkeit im Verkehr zwischen Patienten und Schwestern ist strengstes Gebot im Fichtenhain und der Fichtenhain-Klinik.“
    Dann wurde sie wieder sanfter und erklärte mir, daß bei der Tuberkulosekur im Fichtenhain Disziplin der wichtigste Faktor sei, und da es den Schwestern obläge, die Disziplin durchzusetzen, müsse der Ton zwischen Patienten und Schwestern unpersönlich sein. Das klang durchaus verständlich, und daß ich es wußte, hat mir die Anpassung an die Fichtenhain-Hausordnung etwas leichter gemacht.
    Die kleine Schwester war tüchtig und freundlich; während sie sich mit mir unterhielt, schüttelte sie die Kissen auf, zog die Bettücher glatt, und als sie das Zimmer verließ, war es ordentlich, gut durchgelüftet und kühl.
    Nachdem sie fort war, kam die Familie mit den Kindern, dem jetzt heißen und frischen Kaffee, mit Geschenken, Blumen und neuen Büchern wieder angestürmt. Bald flossen Bett, Stühle, Sekretär und alles andere über von Menschen, Kaffeetassen und Aschenbechern, und in den sterilen braunen Papiersack am Bett flogen Kerngehäuse von Äpfeln, Bonbonpapier und glimmende Zigarettenstummel. Nun war das Zimmer wieder unordentlich und gemütlich wie ein alter Wirtshausraum.
    Draußen schimmerte der Abendhimmel blaß durch den entblätterten Ahorn. Drinnen wärmte mich die Unterhaltung wie ein weicher alter Pullover. Die Hunde kamen die Treppe hoch, kratzten mit ihren Pfoten über die kahlen Stiegen und wollten wissen, was los sei. Warum kein Feuer im Kamin brannte. Warum es nicht nach Abendbrot roch. Warum wir alle oben waren.
    Das Telephon klingelte – eine Verabredung für Alison. Die Klingel läutete – ein Nachbar, der sich eine Tasse Zucker leihen wollte. Das Telephon klingelte – eine Verabredung für Dede. Der Kinder-Funk spielte Hop Harrigan. Das Telephon klingelte – Mutter wurde verlangt.
    Mutter blieb unten, und bald strömten durchs Haus prickelnde Gerüche vom Rauch brennender Holzscheite, von Knoblauch und Bratkartoffeln. Das Abendessen und das Feuer kamen in Gang. Die Hunde liefen nach unten. Der Kinder-Funk spielte Jack Armstrong. Das Telephon klingelte – es war meine letzte Nacht zu Hause.

VIERTES KAPITEL
    Alle neuen Patienten müssen zunächst gekocht werden.

    In eine Anstalt geschickt zu werden, sei es eine Strafanstalt, eine Nerven- oder Tuberkuloseheilanstalt, ist kein Kinderspiel, und daß man nicht weiß, wann oder ob man wieder herauskommt, macht die Sache nicht gerade leichter. Ein Verbrecher weiß wenigstens, wie lang seine Strafe ist. Ich hielt mich zuerst daran, daß der Lungenspezialist auf ein Jahr geschätzt hatte; aber dann fiel mir ein, daß er den Nachsatz „oder länger“ angehängt hatte. „Oder länger“ konnte alles zwischen einem Monat und zehn Jahren bedeuten. Das war kein Trost.
    Nach den Anweisungen der Klinik hatten neue Patienten zwischen drei und vier Uhr dreißig nachmittags „nach den Ruhestunden und vor dem Abendbrot“ im Fichtenhain anzukommen. Mary wollte mich hinausfahren, Madge und Mutter kamen mit. Wir hatten uns vorgenommen, gegen zwei Uhr wegzufahren. Wir hatten uns außerdem vorgenommen, die Kinder zur Schule zu schicken und alles seinen normalen Gang gehen zu lassen. Wenn Leute „ihre Sorgen zu ihrem alten Gerümpel warfen und auf Deubel komm raus lächelten“, bekamen wir immer Lust, uns elend zu fühlen; aber wir gehörten auch wieder nicht zu der „Nun schließen wir den Sargdeckel und setzen uns weinend nieder“-Partei.

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