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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Geschwindigkeit, und ihr Gedächtnis war ausgezeichnet; aber bei ihrer Darstellungsmethode und Redeweise hörten sich alle Geschichten ganz gleich an. Nur durch den Ort der Handlung erkannte man einen Unterschied zwischen einem leisen, delikaten Film wie „Leb wohl, Mr. Chips“ und einem George-Raft-Gangsterstreifen.
    Eileens komische Darbietungen waren für Kimi und mich unterhaltend, aber ihre Tb wurde davon nicht besser, und sie war alles andere als ruhend. Zuerst machten Kimi und ich sie darauf aufmerksam. Sie hatte sofort eine heftige Entgegnung zur Hand. „Dies sind meine Lungen, und wenn es mir Spaß macht, mit denen zu singen oder zu reden oder zu lachen oder zu husten, dann ist das meine Sache und geht alle anderen einen Dreck an.“
    Mit der Zeit kamen Kimi und ich so weit, daß wir uns nicht einmal mehr mucksten, wenn Eileen ans Fußende ihres Bettes kroch, mit dem Arm ganz hoch langte (streng verboten) und am Radioknopf drehte, oder während der Ruhestunden unter der Decke Filmzeitschriften las, oder den ganzen Tag unter der Bettdecke Briefe schrieb, oder im Bett saß und ihr Fußkettchen mit Zahnpulver putzte, oder Schlager sang oder ununterbrochen schwatzte, wenn nicht gerade die Schwestern im Zimmer waren.
    Eileen hatte einen schlimmen Husten, bekam durch ihre verschiedenen Unternehmungen oft Hustenanfälle, und sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter waren an Tuberkulose gestorben, aber das machte ihr nicht den geringsten Eindruck. Sie betrachtete ihre Tb lediglich als eine „Strafe“, die ihre „Oma“ über sie verhängt hatte. Der Fichtenhain war in ihren Augen eine Besserungsanstalt, und die Schwestern waren Aufseherinnen.
    Als der Barbier (einer der nicht mehr bettlägerigen Patienten, der am Haarschneiden Interesse oder von früher Erfahrung darin hatte, oder vielleicht auch weder Erfahrung noch Interesse) erschien, um Eileen das Haar zu schneiden, beschloß sie plötzlich, daß sie lieber nach Hause gehen als sich das gefallen lassen würde. Der Barbier, ein großer, blasser, scheuer Junge, holte sich eine Schwester, die Schwester holte eine Assistentin der Oberschwester, und die Assistentin holte die Oberschwester selbst.
    Die Oberschwester schickte die anderen weg und sagte: „Für mich ist es belanglos, ob Sie gehen oder bleiben, Miß Kelly, aber ich finde, daß Sie sehr unfair gegen Ihre Zimmergenossinnen sind. Sie behaupten, daß Sie mit kurz geschnittenem Haar wie eine häßliche alte Hexe aussehen, dabei haben Mrs. Bard und Miß Sambo beide kurze Haare, und ich finde nicht, daß sie wie Hexen aussehen.“ Eileen musterte uns und meinte: „Na, schöner sind sie nicht gerade geworden.“ Dann betrachtete sie uns noch einmal und knurrte: „Okay, also, aber nur bis hier.“ Sie maß gute sechs Zentimeter von ihrem Ohrläppchen nach unten, und die Oberschwester setzte uns alle durch ihre Einwilligung in Erstaunen.
    Der Barbier wurde zurückgeholt. Er kam hochrot und schwitzend herein und fing an, auf höchst unfachmännische und unsichere Weise Eileens prächtiges langes Haar abzuhacken. Weder trugen Eileens häufige laute Schreie wie „Autsch!“ und „Sieh dich vor, Tölpel!“ zu seiner Selbstsicherheit bei, noch die Tatsache, daß ihr Haar, als er fertig war, aussah, als wäre es mit einer ganz stumpfen großen Zackenschere geschnitten, und die eine Seite mindestens zwei Zentimeter kürzer war als die andere, wodurch man den Eindruck hatte, sie hielte ihren Kopf ständig schief. Eileen sah in ihren Handspiegel und sagte: „Jesses, nun guck dir das bloß an!“ Sie wandte sich an den Barbier, der zitternd und errötend an der Tür stand, und fragte: „Ist dein einer Arm kürzer als der andere, Liebling?“ Er zog sich hastig zurück.
    Zu Eileen kam an jedem Besuchstag ein Besuch. Sonntags erschien ihre Großmutter, eine kriegerische kleine alte Irin, und schlug sich zwei Stunden mit ihr herum. Da wir mit unserem eigenen Besuch beschäftigt waren, konnten Kimi und ich die Zankereien nicht hören, aber Eileen erzählte uns hinterher davon. „Oma geht wieder auf Busbys Markt einholen. Wo’s bei der nicht ganz stimmt, weiß ich schon lange nicht. Busby ist so ’n alter Gauner, daß er gar nicht erst versucht, zu vertuschen, daß er seinen ganzen Arm mit auf die Waage legt, wenn er das Fleisch abwiegt; aber Oma sagt, zu ihm wär’s näher und ihre Hühneraugen halten die eine Straße weiter bis zum Obermarkt nicht durch. Oma hat gesagt, ich soll aufhören, meine Nase in ihre

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