Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
Vom Netzwerk:
war die Mitteilung, daß Patienten mit Bettruhe kein Wannenbad nehmen dürften. „Na gut, wenigstens wird das Badezimmer warm sein,“ tröstete ich mich; aber da verblaßten meine Visionen, in denen ich mich schweißtriefend in einer dampfenden Wanne hatte liegen sehen, zu einem wirklichkeitsgetreueren Bild, und ich lag auf einem Bett und wurde von einer gelangweilten Schwester eilig eingeseift, keineswegs aber abgespült.
    Zwei Patienten wurden immer gleichzeitig gebadet. Wen man als Badepartner bekam, war also ein wichtiger Faktor, der zur Erfreulichkeit oder Unerfreulichkeit der Badezeit beitrug. Ich hatte insofern großes Glück, als mir zur ersten Badepartnerin ein reizendes Negermädchen, Evalee Morris, zufiel. Evalee war scheu und schweigsam, aber wenn sie sprach, klang ihre Stimme tief und weich wie flüssige Schokolade.
    Nachdem die Schwestern jede von uns auf ein Bett gelegt, uns mit unseren Nachtdecken zugedeckt und angewiesen hatten, uns auszuziehen, gossen sie kleine Wannen mit heißem Wasser voll, stellten sie auf die Stühle neben den Betten und befahlen uns, Gesicht und Hals zu waschen, Achselhöhlen und Beine zu rasieren, die Zehennägel zu schneiden und alle sonstigen kleinen Verschönerungen vorzunehmen, die wir für notwendig hielten. Sie forderten von uns, daß dies in völligem Schweigen vor sich zu gehen habe; sicherlich eine gute Idee, die aber unberücksichtigt ließ, daß wir nicht nur tuberkulöse, sondern auch menschliche und weibliche Geschöpfe waren.
    Die Schwestern verschwanden, um unsere Betten frisch zu beziehen, und wir legten uns auf die Seite und fingen an, uns zu waschen. Evalee sah hin und wieder schüchtern hinter ihrem Waschlappen zu mir hinüber, ich hingegen betrachtete sie ohne Scheu. Sie hatte einen feuerroten Wollschal turbanartig um den Kopf geknotet, rauchfarbige Haut und einen so vollen, festen und glänzenden Körper, als bestünde er aus weißem Marmor und sei mit schwarzem Chiffon fest überspannt.
    Wie sie da auf der Seite lag und ihre Hände lässig in die Waschwanne tauchte, sah sie vor dem Hintergrund der blaß grünen Badezimmerwände wie ein Reklameplakat für die Bahama-Inseln aus. Als ich ihr das sagte, lachte sie, zeigte dabei ihre weißen Zähne und bekam tiefe Grübchen, was die Illusion nur noch verstärkte.
    Evalee war siebenundzwanzig Jahre alt, von der Universität Washington mit dem Abschlußexamen für Hauswirtschaft abgegangen, war verheiratet und hatte zwei Kinder, ein kleines Mädchen von drei Jahren und ein Baby von zehn Monaten. Da ihr Mann Gepäckträger und viel unterwegs war und ihre Mutter als Mädchen in einem Hotel arbeitete, hatte der Chefarzt Evalee erlaubt, beide Kinder in die Kinder-Station zu geben. „Sie sollten die Kinder draußen sehen!“ sagte sie. „Die spielen jeden Tag von morgens bis abends im Freien und haben nie was anderes an als Schuhe, Söckchen, kurze Höschen und Hüte. Billy und Rosanna waren noch nicht einmal erkältet, und jetzt sind sie fünf Monate hier.“
    Sie erzählte mir, daß ihr Bett auf einer der großen gedeckten Veranden stehe. Da draußen sei es sehr kalt, aber an klaren Tagen könne sie das Wasser sehen und jeden Tag das Lachen und die Stimmen der Kinder hören, wenn sie ihren Spaziergang machten.
    Die Frau in dem Bett neben ihr erbräche sich bei jeder Mahlzeit, und alle Patienten auf der Veranda müßten ihr Essen in der Hälfte der Zeit herunterwürgen, damit sie fertig würden, bevor die Frau sich übergäbe. Eine Frau hätte sich schon bei der Oberschwester beschwert, aber die hätte geantwortet: „Wir müssen lernen, uns an kleinen Dingen zu erfreuen.“
    Ich fragte sie, ob jeder auf die Veranda hinauskönnte, oder ob man von der Oberschwester ausgesucht würde. Sie sagte, gewöhnlich dürften nur sehr vertrauenswürdige Patienten auf die Veranda hinaus, weil sie dort nicht ganz so viel Aufsicht hätten; aber in ihrem Fall nähme sie an, daß man sie auch nach draußen gelegt hätte, wenn sie laut und aufsässig gewesen wäre, weil sie doch farbig sei.
    „Was ist denn der Unterschied dabei?“ fragte ich, weil ich natürlich annahm, daß es irgend etwas mit der Widerstandsfähigkeit der Neger gegen Kälte zu tun hätte. „Ach, damit wird das Problem der Zimmergenossin gelöst,“ sagte Evalee nüchtern. „Die meisten Weißen würden sich weigern, mit einer Farbigen in einem Zimmer zu sein. Sogar auf der Veranda, wo wir ziemlich weit abseits liegen, hat es Beschwerden gegeben.“
    Mein

Weitere Kostenlose Bücher