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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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gesagt, Betty, Charlie mag das nich, wenn er so dichte bei der Autobusstrecke wohnt,“ und: „Er macht sich nichts aus Nüssen, aber willst du oder sie vielleicht noch was davon?“
    Aus meinem Aufenthalt im Fichtenhain lernte ich, daß die Frage: „Ließe sich mit ihr gut Tuberkulose haben?“ ein Prüfstein für Freundschaft ist. Leider zeigt sich aber, daß allzu viele Menschen, wenn man sie sich ohne ihren materiellen Besitz und alle und jede Tätigkeit vorstellt, einem wie billige Golfbälle erscheinen. Man räufelt und räufelt und räufelt ab, kommt aber niemals an den echten Gummikern, weil keiner da ist. Als ich anfing, Kimi abzuräufeln, fand ich, daß unter ihrem schönen Bezug das meiste Kern war. Sie sagte: „Das ist bei mir nicht Charakter, Betty, es liegt einfach daran, daß man es als Japanerin leichter hat, wenn man nun schon mal Tuberkulose haben muß.“
    Am Montag wurden Kimi und ich sofort nach den Ruhestunden vor ein neues Anpassungsproblem gestellt. Es hieß Eileen Kelly, und die war jung und hübsch, hatte sehr langes rotes Haar und sehr lange rote Fingernägel.
    Voller Mißbilligung fuhr Granitauge Eileen herein und half ihr aus dem Rollstuhl.
    Eileen zog ihren Morgenrock aus, der blaßblau und alles andere als der vorschriftsmäßige warme, solide Bademantel war und sich stark einem Boudoirgewand annäherte. Sie trug einen ärmellosen schwarzen Satinschlafanzug mit tiefem Rückenausschnitt und ein Kettchen am Fuß. Granitauge packte sie verächtlich an ihrem nackten Arm, als hielte sie sie mit zwei Fingern in die Höhe und würfe sie fort.
    Ohne sich im geringsten dadurch einschüchtern zu lassen, sprang Eileen behende ins Bett, doch als sie zwischen die eiskalten Tücher kroch, stieß sie einen Schrei aus. „Jeeeesus, ist das Bett kalt!“ Wie ein Ruf in einer leeren Kirche prallte der Schrei auf die Mauern der völlig stillen Bettlägerigen-Abteilung. Sofort kam die Oberschwester in die Tür geschossen. Mit blitzenden Augen und vor Unwillen straff gespannten Lippen verlangte sie eine Erklärung für diesen höchst regelwidrigen Lärm. Granitauge sagte: „Miß Kelly friert,“ was uns ziemlich dämlich vorkam. Die Oberschwester darauf: „Miß Kelly, Patienten im Fichtenhain schreien nicht.“
    Ihr Auge fiel auf eine nackte Schulter. Wie sie dann die Decken zurückschlug, als suchte sie in einem Sack Mehl nach Maden, sah sie die teils nackte, teils satinbekleidete Miß Kelly in voller Größe. Ihre Nüstern blähten sich, bis sie fast platzten. Zu Granitauge sagte sie: „Miß Murdock, gehen Sie an den Schrank und holen Sie einen Flanellschlafanzug.“ Sie wandte sich an Miß Kelly: „Haben Sie Ihre Liste von verlangten Kleidungsstücken durchgelesen?“ Miß Kelly behauptete, sie hätte es getan. „Warum,“ fragte die Oberschwester, „kommen Sie dann in einem seidenen (sie atmete so schwer, als sie dies verächtliche Wort aussprach, daß es als ,saheidenen‘ herauskam) Schlafanzug und mit Nagellack hierher?“ Miß Kelly meinte klug: „Ich weiß nicht.“
    Gerade in diesem Augenblick kam Granitauge keuchend zurück mit einem sehr vertragenen blauweiß gestreiften Schlafanzug, der, wie Kimi uns später eröffnete, wahrscheinlich einem verstorbenen Patienten gehört hatte. Die Oberschwester riß den Schlafanzug an sich und schickte Granitauge nach Pfefferminzöl. Dann entkleidete sie Eileen mit sicheren, raschen Griffen ihres Satingewandes und steckte sie in den Flanellschlafanzug; mit einer scharfen Chirurgenschere, die sie in der Tasche hatte, schnitt sie mehrere Millimeter von den spitzen blutroten Fingernägeln ab, entfernte mit Pfefferminzöl den Lack von den verbleibenden Stummeln und eröffnete Miß Kelly, daß ihr am nächsten Morgen das Haar bis auf zweieinhalb Zentimeter unterhalb des Ohrläppchens abgeschnitten würde. Ihre steife weiße Uniform knatterte ärgerlich durch die Tür, und fort war sie. Miß Kelly fuhr kerzengerade in ihrem Bett hoch, eine Todsünde, und steckte hinter der verschwindenden Oberschwester die Zunge heraus. Dann wandte sie sich um, sah Kimi und mich mit feindseligen blauen Augen an und sagte: „Jesus, ist das ’ne Dame!“
    Sie lehnte es ab, weiter mit uns zu sprechen, bis sie beim Abendessen ihren erbaulichen Gedanken vom Tablett aufnahm und vorlas. „Verstand ist demjenigen unsichtbar, der keinen hat.“ – „Welcher Knoten hat sich das denn ausgedacht?“ fragte sie, ohne sich an jemand besonders zu wenden.
    Als der Stationsarzt und

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