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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Anweisungen jeden Tag mit der Post zu. Der Chefarzt schicke ihn nur nicht nach Hause, weil er sein Zuhause bei seiner Tochter und ihren fünf kleinen Kindern habe.
    Katy schloß: „So etwas Unvernünftiges wie Leute mit Tb gibt es nicht noch mal. Man sagt ihnen: ,Wenn Sie dies tun, werden Sie gesund werden, aber wenn Sie jenes machen, dann sterben Sie‘, und sie versuchen immer, das zu tun, woran sie sterben können.“ Sie sah zu Eileen hinüber, die auf der Seite lag. Ihr rotes Haar breitete sich über das Kissen, und die tiefblauen, vor lauter Spannung weit geöffneten Druckknopfaugen glänzten. Unter ihrer Decke hatte sie ihr Briefpapier, ihren Füllfederhalter und fünf Filmzeitschriften. Kimi sagte: „Katy, wenn alle Schwestern so wären wie Sie, wäre das viel schöner für die Patienten,“ und Katy entgegnete: „Kimi, wenn alle Patienten so wären wie Sie, wäre es für die Schwestern viel schöner.“
    Minnas Pneumothorax wurde jeden zweiten Tag aufgefüllt, und weder platzten ihre Lungen noch zersprangen sie. Auch jetzt noch schlief sie dreiundzwanzig von den vierundzwanzig Stunden jedes Tages, aber wenn ihr armes, altes, süßes Dickerchen an Besuchtstagen hereingestürzt kam, über das ganze Gesicht strahlend und beladen mit Paketen, unterhielt sie ihn zwei Stunden lang von ihrer Operation, ihrem Leiden und den schrecklichen Dingen, die anderen Patienten passiert waren und ihr passieren könnten und vermutlich würden. Wir konnten mit ansehen, wie er einem schmelzenden Schneemann gleich einfiel und zusammensackte.
    Wenn er fort war, verspeiste Minna ihr Abendbrot bis auf den letzten Krümel, dabei zwei Portionen vom Hauptgericht. Kimi beobachtete, wie sie in einem neuen hellrosa Angorabettjäckchen vergnügt ihre Suppe aß, während das eingefallene Dickerchen sich mit kummerbeladenen Schritten über den Korridor schleppte, und sagte mit sanfter Stimme: „Mit welch ungeheurem Gefühl der Erleichterung wird er den Deckel zu Ihrem Sarg schließen.“ Ich verschluckte mich an meiner Suppe, und Eileen kreischte vor Begeisterung. Minna antwortete nur: „Nächste Woche bringt er mir eine rosa Haube, die zu der Jacke paßt.“

ACHTES KAPITEL
    Mir ist kalt, und kalt ist das Personal

    Der Fichtenhain war ein sehr kalter Ort; das galt sowohl für die Temperatur der Zimmer wie für das Verhalten des Personals. Wir Patienten zogen wollene Socken an – bis zu drei Paar übereinander –, Flanellschlafanzüge, zwei, drei, vier Strickjacken, Bettjäckchen, Fausthandschuhe, wollene Kapuzen und Schals, bis wir wie alte Kleiderbündel aussahen, und doch froren wir immerzu.
    Vom ersten Oktober ab regnete es und regnete und regnete und regnete. Wenn es nicht regnete, war Nieselwetter und Nebel, und alles, einschließlich unserer Haare und Bettücher, war feucht und klamm. Irgendwo im Haus war Wärme, das wußten wir, denn am frühen Morgen hörten wir es in den Heizkörpern rasseln und zischen. Da aber alle Fenster weit offen standen und alle Zwischenwände fast einen halben Meter über dem Fußboden begannen, war jeder Versuch, das Haus mit Heizungen warm zu bekommen, völlig sinnlos. Die Kälte machte uns reizbar und knurrig, und die eiskalten Bettpfannen, die in festgesetzten Abständen unter die Decken geschoben wurden, trugen nicht zur Beseitigung der Gespanntheit bei.
    Wir waren der lebendige Beweis dafür, daß Erkältungen nicht von Zugluft, Kälte oder ständiger Feuchtigkeit kommen, und daß der menschliche Körper nicht schimmelt. Die meisten Patienten ließen sich passiv einfrieren, aber ich wurde ungemütlich bei der Kälte, weil ich den Grund dafür nicht einsah. Das Krankenhaus hatte tausend und aber tausend Liter kochendes Wasser, das sie in unsere Wärmflaschen füllen konnten. Sie hatten Schränke voll schöner, dicker, warmer Decken, die sie uns auf die Betten hätten legen können.
    Ich beschwerte mich, bat, bettelte, weinte, schrie sogar, und zu guter Letzt wurden meine Anstrengungen belohnt mit einer großen, knitterigen, braunen Papierdecke. Die Oberschwester brachte sie mir in eigener Person, und auf ihrem Gesicht stand geschrieben: „Wer weiß, womit Sie sich nächstes Mal verpimpeln lassen wollen.“ Sie handhabte die Decke so vorsichtig, als bestände sie aus Lama-Haar und sei elektrisch geladen. Da die Papierdecke das Zeichen dafür war, daß ich die Schlacht gewonnen hatte, konnte ich meinen Kampf nicht gut fortsetzen, ohne als der Typ von Sieger zu erscheinen, der alle Gefangenen

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