Eins, zwei, drei und du bist frei
darüber, daß Morelli mich in der Cafeteria einfach hatte sitzenlassen, war reine Schau gewesen. Ich hatte nicht vorgehabt, ihm wie ein Schoßhündchen zu folgen, wenn er zu Dickie ging. Dickie hätte in meiner Gegenwart sowieso nicht den Mund aufgemacht.
Ich bestellte eine Kokosmakrone und Schonkaffee. Der Raum hatte sich nach der Mittagspause wieder geleert. Ich hielt mich zwanzig Minuten an Kaffee und Kuchen fest und bezahlte dann. Von Morelli war nichts zu sehen, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß die Auseinandersetzung mit Dickie sich derart in die Länge zog. Ich dachte, Morelli hätte mich versetzt, es wäre nicht das erste Mal gewesen. Ich schlüpfte in meine Jacke, hängte mir die Handtasche über die Schulter und wollte gerade zur Tür hinaus, als Morelli um die Ecke kam.
»Ich dachte schon, du hättest mich verstoßen«, sagte ich zu Morelli.
»Ich mußte warten, bis Dickie seine Telefonkonferenz beendet hatte.«
Wind fegte durch die Straßen, und wir beide zogen schutzsuchend die Köpfe ein.
»Irgend etwas erfahren?«
»Nicht viel. Keine Adresse oder Telefonnummer von Mo. Er sagt, Mo würde sich bei uns melden.«
»Hast du herausgefunden, was Mo anzubieten hat?«
»Informationen.«
Ich sah ihn neugierig an.
»Mehr kann ich dir nicht sagen«, meinte Morelli.
Morelli hatte mich schon wieder angeschmiert. »Ich weiß zwar nicht wofür, aber vielen Dank auch.«
»Ich tue mein Bestes«, sagte Morelli.
»Dein Bestes ist nicht gut genug.«
»Kommt darauf an.« Seine Augen wurden dunkler. Der Schlafzimmerblick. »Gestern abend fandest du mich ziemlich scharf.«
»Gestern abend war ich betrunken.«
Morelli griff meinen Jackenkragen und zog mich zu sich heran.
»Du wolltest mich unbedingt rumkriegen.«
»Ein Tiefpunkt in meinen Leben.«
Seine Lippen glitten flüchtig über meine Lippen. »Was ist jetzt? Bist du jetzt auch an einem Tiefpunkt?«
»So tief falle ich nicht noch mal«, sagte ich hochmütig.
Morelli küßte mich auf die Lippen, als wolle er es wissen, und ließ meinen Kragen los. »Ich muß wieder an die Arbeit«, sagte er. Er überquerte die Straße, stieg in seinen 4+4 und brauste davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
Nach einer Weile erst merkte ich, daß ich mit offenem Mund dastand. Ich machte den Mund zu, holte mein Handy hervor und rief Connie an. Ich erzählte ihr die Sache mit Mo und Dickie und bat sie, mir Lula zu geben.
»Hallo, meine Freundin«, sagte Lula.
»Ebenfalls. Wie läuft’s?«
»Ich habe Arbeit für dich.«
»Oh. Jetzt geht’s rund.«
»Keine Sorge. Ganz harmlos. Kannst du zum Eingang vom Shuman-Haus kommen? Ich warte da auf dich.«
»Jetzt gleich?«
»Jetzt gleich.«
Zwanzig Minuten später betraten wir beide den Aufzug.
»Was ist los?« wollte Lula wissen. »Was willst du hier?«
Ich drückte den Knopf für die zweite Etage. »Mo hat sich einen Anwalt genommen. Der Anwalt heißt Dickie Orr, und wir gehen jetzt zu ihm, um ihn zur Rede zu stellen.«
»Gut. Und was soll ich dabei? Ist der Kerl gefährlich?«
»Nein. Dickie Orr ist nicht gefährlich. Ich bin diejenige, von der die Gefahr ausgeht. Dickie Orr ist mein Ex-Mann, und du sollst dafür sorgen, daß ich ihm nicht an die Gurgel springe.«
Lula piff leise durch die Zähne. »Da hat der Tag ja doch noch was zu bieten.«
Das Büro von Kreiner und Kreiner befand sich am Ende des Gangs. An der Tür standen vier Namen in Goldlettern: Harvey Kreiner, Harvey Kreiner Jr., Steven Owen, Richard Orr.
»Und warum hast du dich von diesem Dickie Orr getrennt?« fragte Lula.
»Weil er ein Blödmann ist.«
»Soll mir recht sein«, sagte Lula. »Er ist mir jetzt schon zuwider.«
Dickie arbeitete für den Bezirksstaatsanwalt, als ich noch mit ihm verheiratet war. Seine Karriere bei der Staatsanwaltschaft währte nur wenig länger als unser gemeinsames Eheleben. Ich glaube, aus beiden war nicht genug Geld herauszuholen. Und als ich ihn zusammen mit Joyce Barnhardt auf dem Eßtisch erwischte, schlug ich genügend Krach, um ihm jegliche politischen Ambitionen, die er vielleicht gehabt hatte, auszutreiben. Unsere Scheidung war eine Scheidung mit allen Schikanen, voller Greuel, voller Vorwürfe. Die Ehe hatte nicht mal ein Jahr gedauert, aber die Scheidung lebte in Burg als Legende fort. Nach einer Weile, als die Leute in meiner Gegenwart wieder den Mund aufmachten, erfuhr ich, daß Dickies außerehelicher Geschlechtsverkehr sich nicht auf Joyce Barnhardt beschränkt hatte. Während der kurzen Dauer
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