Eins, zwei, drei und du bist frei
in die Frostschicht auf meiner Windschutzscheibe gekratzt.
Ich setzte mich hinters Steuerrad, schaute, ob das Loch für die Sicht reichte, und entschied, daß es langte, wenn ich nicht allzu schnell fuhr. Als ich bei Vinnie ankam, war mir mollig warm, und ich konnte sogar meine ganze Motorhaube erkennen, von der Straße ganz zu schweigen. Jackies Chrysler parkte vor dem Büro, ich schob mich auf den Parkplatz dahinter und huschte hinein.
Jackie lief vor Connies Schreibtisch auf und ab.
»Ich sehe nicht ein, wozu das gut sein soll«, sagte Jackie. »Es ist ja nicht so, daß ich mich nicht beherrschen könnte, daß ich nicht aufhören könnte, wenn ich wollte. Ich ziehe mir nur ab und zu gerne einen rein. Was soll daran schlecht sein? Jeder zieht sich doch ab und zu gerne einen rein.«
»Ich nicht«, sagte Connie.
»Ich auch nicht«, sagte Lula.
»Ich auch nicht«, sagte ich.
Jackie musterte uns nacheinander.
»Du bist besser drauf, wenn du davon loskommst«, sagte Lula.
»Ach nee«, sagte Jackie. »Ich bin gut drauf. Ich bin sogar so gut drauf, daß ich’s kaum aushalten kann. Manchmal bin ich so tierisch gut drauf, daß ich Zustände kriegen könnte.«
Connie hatte Mos Akte vor sich auf dem Schreibtisch liegen. »Wir kriegen Mo in den nächsten fünf Tagen nicht zu fassen. Wir werden die Kaution wohl für verfallen erklären müssen«, sagte sie zu mir.
Ich schlug die Akte auf und sah mir noch mal die Kautionsvereinbarung und das Foto an.
Jackie schaute mir dabei über die Schulter. »Mensch«, sagte sie, »das ist ja Schwanznase. Seid ihr hinter dem her? Ich habe ihn gerade gesehen.«
Wir wandten uns alle Jackie zu und glotzten sie an.
»Ja, das ist der Kerl«, sagte sie und tippte mit einem falschen roten Fingernagel auf das Foto. »Er fährt einen blauen Honda. Jetzt fällt mir ein, daß wir ihm manchmal auf der Straße begegnet sind. Ich habe ihn aus einem Haus in der Montgomery Street herauskommen sehen. Neben der Mission.«
Lula und ich sahen uns an. Na?
»War er allein?« fragte ich Jackie.
»Da habe ich nicht so drauf geachtet. Mir ist sonst keiner aufgefallen.«
»Ich bringe Jackie zur Klinik in die Perry Street«, sagte Lula. »Helfe ihr, sich einzuleben.«
Die Klinik in der Perry Street wimmelte von Fixern, folglich wimmelte es draußen auf der Straße von Dealern. Das war das Problem. Die Fixer holten sich ihre Tagesdosis Methadon ab, aber der Hin- und Rückweg war wie ein Gang durch einen riesigen Drogensupermarkt. Der beste Platz, um sich Drogen zu besorgen, ist immer vor der Methadonklinik einer Stadt.
Lula kam nicht mit, um Jackie beim Einleben zu helfen. Lula kam mit, damit sich Jackie nicht den goldenen Schuß verpaßte, bevor sie überhaupt einen Fuß in die Klinik gesetzt hatte.
Lula und Jackie fuhren bis zum Haus meiner Eltern hinter mir her und warteten so lange, bis ich den Buick in die Einfahrt gestellt hatte. Dann stieg ich zu den beiden ein, und sie setzten mich vor der Nissan Werkstatt ab.
»Laß dir keinen Quatsch erzählen wegen dem Truck«, sagte Lula. »Besteh auf einer Probefahrt und sag denen, du würdest ihnen den Truck in den Hintern schieben, wenn sie ihn nicht ordentlich repariert haben.«
»Mach ich«, sagte ich. »Mich legt so schnell keiner rein.«
Ich winkte hinter ihnen her und begab mich auf die Suche nach dem Chef. »Was meinen Sie?« fragte ich ihn. »Ist der Truck fahrtüchtig?«
»Wir haben ihn wieder fit gemacht. Er fährt wie eine Eins.«
»Ausgezeichnet«, sagte ich, erleichtert, daß ich keinem einen Truck in den Hintern schieben mußte.
Jackie hatte Mo aus einem Wohnhaus Montgomery, Ecke Grant Street herauskommen sehen. Es war nicht das, was ich eine heiße Spur nennen würde, aber besser als gar nichts, und ich dachte mir, mal einen Blick drauf zu werfen könne nicht schaden. Montgomery, Ecke Grant lag südöstlich von Burg, in einem Bezirk von Trenton, der sich alle Mühe gab, weiterhin als wohlhabend zu gelten. Das Wohnhaus bildete den Schlußpunkt der Straße, den Rest hatten kleine Geschäfte übernommen. Sal’s Cafe, A&G Haushaltswaren, ein Fischgeschäft, Montgomery Street Freedem Mission und die Montgomery Street Freedom Church.
Ich fuhr einmal um den Häuserblock und hielt Auschau nach dem blauen Honda. Es war keiner zu sehen. Das Wohnhaus besaß eine eigene Tiefgarage, aber um an der Schranke vorbeizukommen, brauchte man einen Kartenschlüssel. Kein Problem. Ich konnte meinen Wagen oben auf der Straße abstellen und die Garage
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