Eins, zwei, drei und du bist frei
um.«
»Überdosis?«
»So steht es auf dem Totenschein.«
»Glaubst du, daß es was anderes ist?«
»Es schmeckt mir nicht, Babe.«
Ich legte auf. Eine Minute später klingelte das Telefon.
»Wir haben einen Notfall«, sagte Lula.
»Was für einen Notfall?«
»Einen Anruf von Jackie, aber ich kann mir keinen Reim auf das machen, was sie sagt. Irgend etwas über ihren Alten, er hätte sie wieder hochgenommen oder so.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Bei den Steinreich-Apartments. Sie hat Tag und Nacht da rumgehangen, und sie hört sich ziemlich durchgeknallt an. Ich habe ihr gesagt, sie soll warten. Wir kämen, so schnell wir könnten.«
Eine Viertelstunde später fuhr ich auf den RiverEdge-Parkplatz. Der Himmel über den in gleichmäßigen Abständen von Straßenlampen gebildeten Teichen aus Kunstlicht war schwarz verhangen. Jackie hatte ihren Chrysler am Rand eines dieser Lichtteiche abgestellt. Der Fluß war eine Straße weiter, und der Eisnebel wirbelte um die Lampen herum und senkte sich auf die parkenden Autos.
Jackie stand neben ihrem Wagen und gestikulierte mit den Armen. Sie schrie Lula an, und Lula schrie genauso laut zurück.
»Beruhige dich«, sagte Lula. »Beruhige dich!«
»Er ist tot«, brüllte Jackie. »Tot. Tot. Tot. Scheißtot. Tot wie Taubenscheiße!«
Ich sah Lula an, und Lula zuckte ratlos mit den Schultern.
»Ich bin gerade erst gekommen«, sagte sie. »Bis jetzt habe ich nur aus ihr herausgekriegt, daß der Scheißkerl tot ist. Vielleicht ist sie zugekokst. Vielleicht brauchen wir etwas, das sie zur Besinnung bringt.«
»Ich bin nicht zugekokst, du blöde Nutte«, sagte Jackie. »Ich versuche dir zu verklickern, daß er tot ist, aber du hörst mir ja gar nicht zu.«
Ich sah mich auf dem Parkplatz um. »Liegt er hier irgendwo rum?«
Ich erhoffte mir inständig ein Nein auf diese Frage. Mein Quantum an Toten für dieses Jahrtausend war voll.
»Siehst du den großen Strauch da drüben neben dem Müllcontainer?« sagte Jackie.
»Ja.«
»Siehst du auch den dreckigen Fuß aus dem Strauch ragen?«
Oh, Mann. Sie hatte recht. Aus dem Strauch ragte ein Fuß.
»Scheiße, Jackie«, sagte ich. »Du hast doch den Fuß nicht etwa auf dem Gewissen?«
»Nein, ich habe den Fuß nicht auf dem Gewissen. Das versuche ich euch doch die ganze Zeit zu verklickern. Da hat mich einer gelinkt. Ich sitze friedlich hier draußen rum und friere mir den Arsch ab und warte darauf, daß ich dem Mistkerl Cameron Brown eine verpassen kann, und dann kommt mir jemand zuvor. Das ist nicht gerecht!«
Jackie schob ab Richtung Müllcontainer, Lula und ich versuchten mitzuhalten.
»Ich wollte nur mein Auto ein bißchen saubermachen«, sagte Jackie. »Ich trage meine Mülltüte rüber und will sie in den Container werfen, und da sehe ich irgendwas schimmern. Ich gucke genauer hin und sehe, es ist eine Uhr. Und dann sehe ich, daß die an einem Handgelenk sitzt. Und ich denke noch, verdammte Hacke, die Uhr und das Handgelenk kennst du doch irgendwoher. Ich wühle ein bißchen rum, und jetzt seht euch an, was ich gefunden habe. Was ich hier aus dem Müll gezogen habe.«
Sie blieb vor dem Strauch stehen, bückte sich, packte den Fuß und zog die Leiche eines Mannes ins Freie. »Seht euch das an! Er ist tot. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, ist er auch noch stocksteif gefroren. Ein einziges Eisbein, der Wichser. Jetzt kann ich ihm nicht mal mehr beim Verwesen zuschauen. Ich hatte mich so drauf gefreut.«
Jackie ließ den Fuß los und versetzte Cameron einen saftigen Tritt in die Seite.
Lula und ich sprangen entsetzt zurück.
»Hör auf«, sagte Lula.
»Das ist erst der Anfang«, sagte Jackie. »Ich habe so lange darauf gewartet, ihn umzulegen. Soll er kriegen, was er verdient hat.«
Jackie knöpfte ihren Mantel auf, zog eine 9 Millimeter Beretta aus ihrer Jogginghose und pumpte ein halbes Magazin Blei in den Körper von Cameron Brown. Cameron hüpfte von dem Aufprall ein bißchen herum, aber ansonsten hatten die Kugeln keine Wirkung, außer daß in diverse Körperteile noch ein paar zusätzliche Löcher geschossen wurden.
»Bist du verrückt?« kreischte Lula. »Der Kerl ist tot! Du schießt auf einen Toten!«
»Kann ich doch nichts für«, sagte Jackie. »Ich wollte ihn erschießen, solange er noch lebte, aber da ist mir jemand zuvorgekommen. Ich hole nur nach, was mir entgangen ist.«
»Du bist ja betrunken«, sagte Lula.
»Verflucht schattig hier. Hätte mich zu Tode gefroren, wenn ich nicht ab
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