Eins, zwei, drei und du bist frei
an die Stirn. »Du und abnehmen? Du bist doch nicht ganz gescheit. Essen ist gesund.«
Ich ging unruhig in der Küche auf und ab, sah zu, wie die Restetüte immer praller und praller wurde, Fleischpakete und Kartoffeln, ein Glas mit Soße, ein halber Schmortopf grüne Bohnen, ein Glas Rotkohl und etwa ein Pfund Kuchen. Na gut, würde ich eben erst Montag mit dem Abnehmen anfangen.
»Hier«, sagte meine Mutter und reichte mir die Tüte. »Bist du fertig, Frank? Stephanie will gehen.«
Mein Vater erschien in der Küchentür. »Was ist?«
Meine Mutter setzte ihre übliche Leidensmiene auf. »Du hörst mir nie zu!«
»Ich höre dir immer zu. Wovon redest du überhaupt?«
»Stephanie geht wieder auf Verbrecherjagd. Geh besser mit ihr.«
Ich nahm die Restetüte, schnappte mir im Flur meine Jacke von der Garderobe und flitzte zur Haustür. »Ich verspreche, daß ich nichts Gefährliches tue«, sagte ich. »Es wird mir schon nichts passieren.«
Bevor ich mich hinter das Steuerrad klemmte, sah ich mich noch einmal um. Meine Mutter und meine Großmutter standen in der Haustür, die Hände vor dem Schoß übereinandergelegt, mit strengen Gesichtern, keineswegs davon überzeugt, daß mir schon nichts passierte. Mein Vater stand hinter ihnen, über den Kopf meiner Großmutter hinwegschauend.
»Der Wagen sieht ja noch gut aus«, sagte er. »Wie fährt er sich denn? Bist du ihn schon mal ausgefahren? Hörst du manchmal so ein Klingeln?«
»Kein Klingeln!« rief ich zurück.
Und dann war ich auch schon verschwunden. Unterwegs zu Mos Laden. Redete mir ein, daß ich diesmal klüger sein würde als das letzte Mal. Diesmal wollte ich mich nicht K.O. schlagen lassen, und diesmal wollte ich mich auch nicht anschmieren lassen. Diesmal sollte Mo mit seinem Tränengas nicht schneller sein. Sobald ich ihn zu Gesicht bekäme, wollte ich ihm eine saftige Ladung von dem Zeug verpassen. Ohne großes Federlesen.
Ich stellte meinen Wagen gegenüber von Mos Laden ab und sah in das schwarze Spiegelglasfenster. Kein Licht, es rührte sich nichts, auch in der Wohnung im ersten Stock brannte kein Licht. Ich fuhr aus meiner Parklücke, kreiste um ein paar Häuserblocks in der unmittelbaren Umgebung und hielt dabei Ausschau nach Rangers BMW. Ich bog in die Gasse hinter dem Laden und schaute in die Garage. Kein Auto da. Ich kehrte zur Ferris Street zurück. Immer noch kein Lebenszeichen in dem Laden. Ich stellte meinen Wagen eine Straße weiter in der King Street ab. Ich könnte Ranger noch mal anrufen. Ich tastete nach meiner Handtasche, aber da war keine. Ich schloß ungläubig die Augen. In meiner Eile, von meinem Vater loszukommen, hatte ich die Umhängetasche vergessen. Nicht weiter schlimm. Ich konnte zurückfahren und sie holen.
Ich legte den Gang ein und schwenkte auf die Ferris Street. Im Vorbeifahren warf ich noch einen letzten Blick ins Schaufenster. Ich sah einen Schatten an der hinteren Wand des Ladens.
Scheiße!
Zwei Häuser weiter fuhr ich an den Straßenrand und sprang aus dem Wagen. Ich hätte zu gerne die ganze Palette der Kopfgeldjägerausrüstung dabei gehabt, Tränengas, Handschellen und was es sonst noch alles so gab. Andererseits wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Eigentlich wollte ich Mo doch sowieso nicht mit Tränengas besprühen. Ich wollte mit ihm reden. Ich wollte mich mit ihm auseinandersetzen. Ich wollte ihm einige Fragen stellen. Ich wollte ihn wieder in die Gesellschaft eingliedern und ihn der Justiz zuführen, ohne ihn dabei zu verletzen.
Stephanie Plum, Meisterin im Selbstbetrug. Glaubt alles, was ihr gerade in den Kram paßt.
Ich lief zu einer Stelle gegenüber des Ladens, der im Dunklen lag, und wartete darauf, daß sich etwas tat. Mein Herz machte einen Quantensprung, als kurz ein Licht aufflammte. Jemand hatte eine Taschenlampe angemacht und sie sogleich wieder ausgeknipst. Die Nachricht auf meinem Anrufbeantworter stimmte also. Mo war in seinem Laden.
10
Ich sprintete über die Straße und suchte im Schatten der Hauswand Deckung. Ich drückte mich an die Backsteinmauer und schob mich zum Hinterausgang. Vielleicht konnte ich die Tür versperren, dachte ich. Wenn Mo nur eine Fluchtmöglichkeit hatte, standen meine Chancen, ihn zu kriegen, nicht so schlecht.
Ich holte tief Luft und lugte um die Ecke. Der Hinterausgang stand sperrangelweit offen. Kein gutes Zeichen. Mo hätte die Tür niemals offenstehen lassen, solange er im Laden war. Ich befürchtete schon, die Geschichte würde
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