Eins, zwei, drei und du bist frei
Blinklicht zeigte mir an, daß die Batterie alle war, dann erlosch das Licht ganz.
»Kein Saft«, sagte ich zu Lula. »Wahrscheinlich habe ich es die Nacht über angelassen. Wir müssen ein Auto anhalten.«
Mehrere Autos rasten an uns vorbei und spritzten uns voll.
»Plan Zwei?« fragte Lula.
»Wir fahren zur nächsten Ausfahrt und rufen die Polizei.«
»Willst du die Leiche einfach so allein hier liegenlassen?«
»Einer von uns beiden müßte hierbleiben.«
»Das wärst dann ja wohl du.«
Ein Zwanzigtonner donnerte an uns vorbei und hätte uns beinahe zur Seite gefegt.
»Und zwar im Graben«, sagte ich zu ihr.
Lula wendete sich wieder Harp zu. »Wir könnten ihn auch mitnehmen, ihn in den Kofferraum packen und am nächsten Beerdigungsinstitut abladen. Ihn einfach da abliefern.«
»Dann würden wir den Tatort verändern.«
»Scheiß auf Veränderung. Das Arschloch ist aus heiterem Himmel auf meinen Wagen gefallen! Und außerdem, wenn er länger hier liegenbleibt, wird er am Ende noch überfahren.«
Das war ein schlagendes Argument. Elliot Harp war sozusagen Transportgut gewesen, als er von dem Firebird purzelte. Und mit Reifenspuren auf der Brust würde er nicht besonders gut aussehen.
»Na schön«, sagte ich. »Wir nehmen ihn mit.«
Wir sahen auf Elliot herab, und wir mußten beide schwer schlucken.
»Am besten schaffst du ihn in den Kofferraum«, sagte Lula.
»Ich?«
»Du erwartest doch wohl nicht, daß ich das mache. Ich rühre keinen Toten an. Ich krieg heute noch eine Gänsehaut, wenn ich nur an Leroy Watkins denke.«
»Er ist zu schwer für mich. Ich kriege ihn nicht allein in den Kofferraum.«
»Ich glaube, ich krieg Durchfall«, sagte Lula. »Wir tun einfach, als wäre das Ganze überhaupt nicht passiert, und machen, daß wir wegkommen.«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, sagte ich, mir selber Mut zusprechend. »Wie wäre es mit der Decke? Wir könnten ihn doch in die Decke wickeln. So könnten wir ihn aufheben, ohne ihn zu berühren.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Lula. »Wir können es ja wenigstens versuchen.«
Ich breitete die Decke auf dem Boden neben Elliot Harp aus, holte tief Luft, klemmte meine Finger unter seinen Gürtel und hievte ihn auf die Decke. Ich sprang zurück, kniff die Augen fest zu und atmete aus. Und mochte ich noch so viele gewaltsame Tode sehen, ich würde mich nie daran gewöhnen.
»Ich kriege echt Durchfall«, sagte Lula. »Ich spüre es schon ganz deutlich.«
»Hör auf mit deinem Durchfall und hilf mir lieber mit der Leiche.«
Lula packte das Kopfende der Decke, ich das Fußende. Der Körper befand sich bereits in Leichenstarre und ließ sich nicht biegen. Wir schoben Harp daher mit dem Kopf zuerst in den Kofferraum und ließen die Beine herausragen. Wir schlossen vorsichtig die Klappe über Harps Kniegelenken und banden sie mit einer Schnur fest, die Lula im Kofferraum fand.
»Moment noch«, sagte Lula, zog ein rotes Halstuch aus ihrer Manteltasche und band es wie einen Wimpel um Harps Füße. »Man will sich ja kein Strafmandat einhandeln. Die Polizei soll ziemlich streng sein, wenn etwas aus dem Kofferraum herausschaut.«
Besonders wenn es sich um einen Toten handelte.
Wir reihten uns in den Verkehr ein und hatten gerade ein paar hundert Meter zurückgelegt, um einen Platz zum Wenden zu suchen, als ich ins Grübeln kam. Ich konnte nicht einschätzen, wie die Trentoner Polizei reagieren würde, wenn wir mit einem toten Drogendealer im Kofferraum vor der Wache vorfuhren. Vielleicht konnten sie den schwierigen Entscheidungsfindungsprozeß gar nicht nachvollziehen, der uns bewogen hatte, die Leiche von der Straße aufzulesen.
Lula fuhr an der nächsten Ausfahrt von der Route 1 runter und mußte an einer Ampel halten. »Wo fahren wir eigentlich hin?« wollte sie wissen.
»Nach Burg. Ich muß zuerst zu Eddie Gazarra.«
Gazarra war in erster Linie ein Freund, erst in zweiter Polizist. Gazarra vertraute ich am meisten, mir einen ehrlichen Rat zu geben, wie man am besten eine Leiche übergab.
Ein Wagen schloß hinter uns an der Ampel auf. Der Fahrer machte umgehend kehrt und raste mit hoher Geschwindigkeit davon. Lula und ich hörten auf, in den Rückspiegel zu schauen und wechselten vielsagende Blicke.
»Vielleicht hätten wir die Decke doch etwas strammer um Elliots Füße wickeln sollen«, sagte Lula.
Die Ampel sprang auf Grün, und Lula fuhr auf der Route 1 Richtung Süden zurück. An der Masters Street drehte sie ab, weil sie lieber
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