Eins, zwei, drei und du bist frei
der anderen Seite, und die Tür wurde geöffnet. Morelli trug dicke Wollsocken und Jeans, ein schwarzes T-Shirt und ein offenes Baumwollhemd, die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Er zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Er sah mein nasses Haar und meine vor Dreck starrende Jeans. Sein Blick flog über mich hinweg zu dem roten Firebird, den Lula unter eine Straßenlaterne gestellt hatte. Er schüttelte den Kopf.
»Jetzt sag bloß noch, aus deinem Kofferraum ragen Beine heraus.«
»Tj, ähem, das ist so…«
»Herrgottnochmal, Stephanie. Das ist die vierte. Vier Leichen in einer Woche. Sogar acht, wenn man die aus dem Keller mitrechnet.«
»Ist das vielleicht meine Schuld?« Ich stemmte die Fäuste in die Hüften. »Glaubst du vielleicht, es macht mir Spaß, Leichen aufzustöbern? Ist nicht gerade das reinste Vergnügen, kann ich dir sagen.«
»Wer ist das?«
»Ich glaube, es ist Elliot Harp. Es läßt sich allerdings nicht mit letzter Sicherheit sagen, mitten in seinem Gesicht klafft nämlich ein Riesenloch.«
Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, wie wir Mo entdeckt und ihn auf der Route 1 verfolgt hätten, und wie es dazu gekommen war, daß Elliot Harp auf Lulas Motorhaube gelandet war.
»Und?« sagte Morelli.
»Und dann habe ich ihn hierher gebracht. Ich habe mir gedacht, du würdest ihn vielleicht gern als erster in Augenschein nehmen.« Und würdest vielleicht einen wohlwollenden Bericht schreiben, in dem ich nicht der Leichenfledderei bezichtigt werde. Und wenn ich dich mit hineinzöge, wäre ich viellleicht nicht allein den blöden Bullenwitzen ausgesetzt. Man konnte sich doch vorstellen, wie sie sich die Schenkel klopften: Stephanie Plum, Leichen- und Gefahrenguttransporte. Haha.
Ich warf einen hastigen Blick in Morellis Haus, sah einen Parkettfußboden in der kleinen Diele und ein altmodisches Geländer aus Holz an der Treppe, die nach oben führte.
Morelli bedeutete Lula mit einem Handzeichen, sie solle sich noch einen Moment gedulden, zog mich ins Haus und schloß die Tür. »Du hättest die Leiche auf der Straße liegenlassen sollen. Du hättest jemanden aus dem Verkehr winken sollen, dann ein Telefon suchen und die Polizei rufen sollen.«
»Sag mal«, fragte ich ihn, »hast du mir überhaupt zugehört? Das habe ich dir doch gerade alles erklärt. Es hat keiner angehalten, und ich fand es zu gefährlich, am Straßenrand stehenzubleiben.«
Morelli öffnete die Haustür einen Spalt und sah hinaus zu dem Firebird. Er schloß die Tür und schüttelte wieder den Kopf. Er sah hinunter auf seine Füße und versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.
»Findest du das vielleicht komisch?« sagte ich.
»Wer hatte die Idee mit dem Wimpel?«
»Das war Lulas Idee. Sie wollte sich kein Strafmandat einhandeln.«
Das Lachen wurde breiter. »Dafür hat sie einen Kuß verdient.«
»Was soll ich jetzt mit dem Kerl anstellen?«
»Ich rufe den Gerichtsmediziner an und sage jemandem Bescheid, der uns an der Wache empfängt. Du bist jetzt schon so weit mit Harp spazierengefahren, da kommt es auf die paar Kilometer auch nicht mehr an.«
»Ich habe doch nichts Verbotenes gemacht, oder?«
Morelli verzog sich in den hinteren Teil des Hauses. »Du erwartest doch wohl keine Antwort auf so eine Frage.«
Ich folgte ihm durch die Diele nach hinten in die Küche und erhaschte unterwegs einen flüchtigen Blick in Wohnzimmer und Eßzimmer. Die Räume waren klein, aber hatten hohe Decken mit Stuckverzierungen. In allen Räumen warteten noch Kartons darauf, ausgepackt zu werden, an einer Wand im Eßzimmer lag ein zusammengerollter Teppich.
Morelli holte ein Paar Laufschuhe unterm Küchentisch hervor und nahm Platz, um sie sich anzuziehen.
»Schöne Küche«, sagte ich. »Sieht aus wie zu Hause bei meinen Eltern.« Was war mit Auslegpapier für die Regale? Ich konnte mir Morelli nicht beim Aussuchen von Auslegpapier für Regale vorstellen.
Morelli schaute sich um, als sähe er die Küche zum ersten Mal. »Sie muß noch hergerichtet werden.«
»Warum hast du dich entschlossen, ein Haus zu kaufen?«
»Ich habe es nicht gekauft. Ich habe es geerbt. Meine Tante Rose hat es mir hinterlassen. Sie und mein Onkel Sallie haben es zu ihrer Hochzeit gekauft. Sallie ist vor zehn Jahren gestorben, und Tante Rose ist hier wohnen geblieben. Sie ist im Oktober gestorben, mit dreiundachtzig. Die beiden hatten keine Kinder, und ich war ihr Lieblingsneffe. Deswegen habe ich das Haus gekriegt. Meine Schwester Mary hat die Möbel
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