Einsam, zweisam, dreisam
mich gerade totfährst?»
Er ist außer Atem vor Schreck, hat einen Klumpen im Magen. «Gerade dann», sagt sie und: «Totfahren geht anders.»
Sie landen doch in Bristol. Mit diesen Kreisverkehren muß man sich auskennen. Da können sie genausogut etwas gegen seinen Hunger tun, findet Regina.
Sie gehen in ein Self-Service-Restaurant, in dem die abgearbeitete, müde Feierabendstimmung herrscht, die zu Fabriken und Hochhäusern gehört. Es ist halb sieben, und das giftweiße Neonlicht macht jede Kosmetik lächerlich. Die erschöpften Augen und welken Frisuren der Damen stehen in ruppigem Kontrast zu den Pink, Beige- und Türkistönen ihrer Kleider.
Regina und Sig packen sich Fish and Chips und Salat auf ihr Tablett und suchen einen Tisch.
«Wieso liebst du mich, ich bin doch gar nicht von dieser Welt?» fragt er.
«Das könnte ja grade der Grund sein.» Sie deutet mit den Augen auf einen Tisch, von dem sich gerade zwei Männer erheben. Sie schieben den Rest auf die Seite und setzen sich.
«Du hast was von einer Schwalbe. Ich mag, daß du vielleicht fliegen kannst.»
Das klingt seltsam in diesem scheppernden Restaurant.
«Wo willst du hin?»
Sig steht auf. «Essig und Öl holen.»
«Vergiß es. England», sagt sie.
«Aber der Salat ist grade mal gewaschen!» protestiert er.
«Du mußt umdenken», lacht sie, «das gilt hier als angemacht.»
Er probiert die Fischstäbchen und verzieht das Gesicht. Dasselbe bei den Pommes frites. Sie beobachtet ihn amüsiert. Sie lacht. «Du hast zwei Möglichkeiten hier: abmagern oder umdenken.»
«Abzumagern ist da nicht viel», stöhnt er. «Ich denke um.»
Regina haut fröhlich rein, als mache ihr der Geschmack dieser Pampe tatsächlich nichts aus. Sig stochert noch ein bißchen herum und ißt dann gerade so viel, daß ihm der Appetit vergeht. Das ist so ähnlich wie satt.
Als der Wagen von der Fähre rollt, fragt Sig, ob hier Wales anfange. «Du erkennst es an den Ortsnamen», sagt Regina, «Newport gehört noch nicht dazu.»
Es wird Nacht.
Ein Gefühl höchster Gegenwart hat sich seiner bemächtigt. Er befindet sich in einem fahrenden Auto und das ganz deutlich. Er fährt durch Lichter. Diese Frau, die er nie zu träumen gewagt hätte, fährt ihn durch lauter Lichter hindurch. Lichter und Geräusche. Sie hat ein Ziel, und er kommt in ihren Plänen vor. Er hat keine Erinnerungen mehr, die in die Zeit vor ihr zurückreichen. Jedenfalls im Augenblick nicht. Er ist nicht unsichtbar und fühlt sich wohl dabei. Sie sagt, daß sie ihn liebt, als wäre das keine Sensation, sie chauffiert ihn durch England, sie gibt sich ihm auf einem Hochsitz im Wald, sie nimmt ihn sich in einem Kino. Auch sie ist nicht von dieser Welt, mißtraut ihm nicht, obwohl er doch nichts bewiesen hat. Sie fahren durch Lichter und Geräusche.
Er kurbelt das Fenster herunter, um den kühlen Nachtwind zu spüren.
«Mach zu, du erkältest dich vielleicht», sagt sie.
«Und wenn schon?»
«Mach bitte zu.»
Er dreht die Scheibe wieder hoch.
Am alten Pier von Aberystwyth ist nur noch die Spielbude mit den einarmigen Banditen und Videogeräten erleuchtet. Und eine Imbißbude. In dieser Imbißbude steht ein Mann mit Schnurrbart und weißer Kochmütze. Unter der Kochmütze wachsen strubbelige Koteletten bis fast zum Schnurrbart hinunter. Der Mann lauscht verträumt dem Gesang der Friteuse, dem er schon so oft gelauscht hat, wenn es sonst nichts mehr zu hören gab.
Er denkt nichts.
Der Name dieses Mannes ist Hank, und gerade ist Hank dabei, sich einen Fussel aus der Tasche seiner nicht mehr ganz weißen Jacke zu puhlen. Es ist gleich halb elf. Er stellt die Friteuse ab und macht den Laden zu. In Aberystwyth ist um diese Tageszeit kein Geschäft mehr zu machen.
Als er wenig später vor die Tür tritt, hält ein Wagen mit ausländischer Nummer vor ihm, und eine Hübsche mit Locken fragt nach einem Hotel.
«Over there, about hardly twenty Yards.»
Sie dankt, er gähnt, der Wagen fährt an, und er lauscht dem Gesang der Aprilnacht.
Für ihn ist fast alles Gesang.
Die Dame am Empfang trägt einen rosa Pullover, der gut zu ihren silberblauen Haaren paßt. «Certainly, Madam», sagt sie, «even with a marvellous view upon the sea.»
Das Zimmer ist ein Saal. Regina duscht, und Sig macht ihr eine Tasse Tee. Da steht ein Schnellkocher mit Teebeuteln, Milch, Zucker und Zitrone. Auch kleine Nescafé-Tütchen gibt es, aber sie will Tee. Sonst schläft sie nicht, sagt sie.
Später genießt er selbst den
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