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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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einen dazu passenden ergrauenden Mittvierziger, der zu müde ist, sich nach dem Strich durchzufragen, auf das Bett; ein Jackett über den Bügel im offenstehenden Schrank … Kein schönes Bild, keine gute Geschichte. Er sammelt alles wieder ein.
    Statt dessen ein Paar schwarze Damenstrümpfe. Mit Naht. Schon viel besser. Die Dame dazu läßt er ein gestreiftes Kostüm ausziehen, Bluse, Büstenhalter und Schlüpfer achtlos in verschiedene Richtungen werfen, sich nackt vor den Spiegel stellen und ruhig, elektrisch und schnurrend mit den Händen durch die langen dunklen Haare streichen.
    Sie hat eine auffallende Ähnlichkeit mit Regina. Er hält den Atem an, um seine Anwesenheit nicht zu verraten. Es klopft leise an der Tür. Völlig unbefangen will die Frau nackt zur Tür gehen, da kratzt ein Schmerz in seinen Schläfen, und er löst auch diese Geschichte wieder auf. Der Schmerz geht weg.
    Der Spiegel hat eine eigene Geschichte angefangen. Da steht ein Mann, dessen Hand sich an seiner Hüfte bewegt. Ein kleiner Mond tanzt in der Hand. Vollmond und Neumond wechseln im Zehntel-Sekunden-Takt. Der Mann sieht Sig direkt ins Gesicht. Ohne Mißtrauen. Die Frau ist wieder da. Es ist Regina. Jetzt hat sie ein sehr damenhaftes Kleid an. Das Kleid ist sehr blau. Seide. Mit halb geöffneten Lippen steht sie hinter dem Mann und schaut Sig direkt in die Augen. Sie scheint das Kleid auf der bloßen Haut zu tragen, denn ihre Brustspitzen stupsen kleine Knöpfe in den Stoff.
    Die Hand des Mannes bewegt sich gleichmäßig. Das Blau des Kleides pulsiert wie auf Bildern von Yves Klein. Alles pulsiert. Alles ist blau. Ein hellblauer Streifen Mondlicht springt aus der Hüfte des Mannes und bleibt auf halbem Wege zu Sig, mitten in der Luft stehen. Das Mondlicht verwandelt sich in Tropfen, die langsam, senkrecht nach unten rinnen. Der Mann setzt sich aufs Bett. Die Frau, Regina, lächelt und verschwimmt. Sig zieht sich aus und schläft ein.
    Die Frau steht vor seinem Bett. Das auf ihren Körper lasierte Blau wird blasser, heller, und sie wird immer nackter. Sig weiß plötzlich, daß er dieses Blau nicht sieht, sondern denkt. Die Frau sagt: «Du hast mich genommen. Du hast nicht gefragt. Du hast nicht daran gezweifelt, daß ich will.»
    Sig sagt: «Du warst mit dem andern im Spiegel. Ich habe dich nicht berührt. Er übrigens auch nicht.»
    «Man braucht zum Berühren keine Hände», sagt die Frau, «und du weißt, daß du selber der Mann warst.»
    «Ich?» sagt Sig.
    «Kein Sperma hängt einfach in der Luft herum.»
    «Sperma?»
    «Hör zu, Sig, du mußt nicht nur deine Wünsche beachten, sondern auch deine Informationen. Und du mußt dich deinen Freunden gegenüber nicht dummstellen.»
    «Bist du mein Freund?»
    «Ich könnte es werden.»
    «Ich liebe dich.»
    «Du hast es kaputtgemacht.»
    Als hielte der große gelbe Mond zu ihr, verschwindet er aus dem Fensterausschnitt. Auch sie verschwindet. Ich träume nur, denkt Sig, aber er denkt es sehr unglücklich, denn er glaubt nicht an den Unterschied von Traum und Leben.

D ean O’Rourke könnte sich eigentlich zur Ruhe setzen. Als einer der Top-Agenten der CHIA , so kürzt sich der Geheimdienst Christian-Heaven-Intelligence-Agency ab, hätte er längst Anrecht auf einen lässigen Schreibtisch Job als Koordinator im Weltanschauungsrat. Er könnte auch in die Ankunftshalle A gehen, wo alle Seelen, die im Gebiet der christlichen Zuständigkeit gestorben sind, auf Herz und Nieren geprüft werden. Damit sie nicht etwa in die falsche Sektion des Ruhestandskomplexes eingewiesen werden. Da müßte er Fragebogen einsammeln und sonst gar nichts.
    Aber Dean ist nicht der Mann in Rente zu gehen. Seine Kenntnisse in infiltrativer Aufklärung sollen nicht einfach ungenutzt verlottern. Dino, wie er von seinen wenigen Freunden genannt wird, will arbeiten, denn ihm macht sein Beruf Spaß. Und die C-Heaven-I-A ist froh, einen Spitzenmann wie O’Rourke zu haben.
    Dino ist auf einer heißen Spur. Sein Kontaktmann im Chemisch-Physikalischen Rat des Agnostikerhimmels hat ihn auf eine unglaubliche Sache gestoßen. Doppelkopf, so heißt der Kontaktmann, hatte gesagt: «Bei euch ticken die Uhren nicht, wie ihr glaubt.»
    «Erzähl», hatte Dino geantwortet, denn er weiß, daß man Doppelkopf nicht widersprechen soll. Auch wenn er, wie meist, in Rätseln spricht.
    Und Doppelkopf hatte vom Stapel gelassen: Daß die Agnostiker seit Jahren einen Geheimfonds verwalten, aus dem sie alle möglichen militanten Randgruppen

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